Pastetenlust
beruflichen
oder gesellschaftlichen ranghöheren Titel.
Wallisch, dem nichts an Schmeicheleien lag, schon gar nicht
an unzutreffenden Rangbezeichnungen, flachste munter zurück: „Eine ganze Menge,
sehr geehrter Herr Rezeptionsrat.” Er hielt dem älteren Mann hinter der Budel
das Bild unter die Nase. „Haben Sie diesen oder einen ähnlich aussehenden Mann
schon einmal gesehen?”
Der blickte über den oberen Rand seiner Brille, schüttelte
zunächst zweifelnd den Kopf. „Sieht dem Herrn aus Zimmer 28 ähnlich”, sagte er
nach einer Weile. „Der hat zwar einen Bart, aber sonst. Das könnte er schon
sein.”
„Ist der Herr jetzt auf seinem Zimmer?”, Wallisch hatte Mühe,
das plötzlich aufsteigende Jagdfieber zu kontrollieren.
„Tut mir leid, aber der Herr ist vor zwei Stunden abgereist.”
„Hat er irgendetwas gesagt, wohin er von hier fährt? Oder
eine Nachricht hinterlassen?”, die Stimme des Beamten klang unüberhörbar
enttäuscht.
Bedauernd verneinte der Mann, griff aber zu einer Mappe,
schlug sie auf und holte ein Blatt hervor. „Alles, was ich Ihnen anbieten kann,
ist die Kopie der polizeilichen Anmeldung”, tröstete er den wieder Hoffnung
schöpfenden Beamten.
Roman Schuster war 42 Jahre alt, geboren in Resita, wo immer
das auch liegen mochte und hatte sich mit einem rumänischen Reisepass
ausgewiesen. Er war am Montagvormittag angekommen und heute, Donnerstag wieder
abgereist.
„Ist Ihnen sonst noch etwas an Herrn Schuster aufgefallen?”
Der Rezeptionsrat erweckte
durchaus den Eindruck, ernsthaft nachzudenken. „Eigentlich nein. Außer
vielleicht ...”, er zierte sich mit dem Weiterreden.
„Ja, was vielleicht?”, herrschte ihn Wallisch an, „lassen Sie
sich doch nicht alles aus der Nase ziehn.”„Er muss sich gleich am ersten Tag
verkühlt haben, seit Dienstag früh war er nicht nur heiser, sondern hat sich
auch dauernd die Nase geputzt. Ist nur mehr mit dem Taschentuch in der Hand
herumgelaufen.”
Wallisch konnte sich zwar nicht vorstellen, dass das von
besonderer Bedeutung sein würde, notierte aber pflichtbewusst die Aussage des
Mannes.
„Ich denke, das wars dann. Danke für Ihre Hilfe”, Wallisch
war nach Möglichkeit immer höflich bei Befragungen, man wusste nie, ob man von
dem Gegenüber nicht noch einmal etwas brauchen würde. Dann half er der Polizei
noch, Telefongebühren zu sparen und informierte seinen Inspektor vom
Hoteltelefon aus.
*
Dr. Michael Schneckenburger war bei der heutigen
Sitzung zum stellvertretenden Leiter der SOKO ›Vergiftetes Müsli‹ avanciert. Da
die Sektionschefin als Vertreterin des Ministers selbst nominell die Leitung
innehatte, was die Bedeutung unterstrich, die diesem Fall beigemessen wurde,
war Miki praktisch der Chef. Er starrte wie gebannt auf die eben eingetroffene
Meldung. Falls die darin geäußerte Vermutung zutreffen sollte, wäre das ein erster, entscheidender Erfolg und ein wichtiger
Schritt zur Lösung des Falles.
Am Vormittag war dem
Leiter eines BIGENI-Marktes in Klagenfurt ein Mann aufgefallen, der mehrere
Packungen eingeschweißter Dauerbackwaren der Marke ›Tante Olgas Beste‹ aus dem
Regal nahm und kurz danach wieder hinein stellte. Darauf angesprochen,
versuchte der Mann zu flüchten. Doch die alarmierenden Schreie des
Filialleiters „Holt, Sie Verbreha” führten zum mannhaften Einschreiten einiger
Hausfrauen, die den Flüchtigen zu Boden warfen und sich einfach auf ihn
setzten.
Bei der Durchsuchung des Mannes durch die Polizei kamen zwei
mit Belladonna gefüllte Einwegspritzen zum Vorschein. Die Beamten
beschlagnahmten sämtliche zweiundzwanzig im Regal befindlichen Packungen der
beliebten, mit Powidl gefüllten Mehlspeise, um sie im Labor untersuchen zu
lassen.
Belladonna, das Gift der Tollkirsche. Nicht neu, aber sehr
bewährt, dachte Schneckenburger. Mal sehen, ob die Dosis für eine Mordanklage
reichen wird oder nur für schwere Körperverletzung. Der verhaftete Walter F.
war 39 Jahre alt und seit zwei Jahren arbeitslos. Er war verheiratet und Vater
von 5 Kindern. Eine harte Sache für die Familie. Man muss schon sehr viel
kriminelle Energie haben, um bei so einem Scheiß mitzumachen. Oder sehr verzweifelt
sein.
Na, der Minister wird erfreut sein, dachte Schneckenburger.
Zwar hatte der oberste Boss in diesem Fall um keinen sauteuren Bordeaux
gewettet, zumindest war Miki nichts bekannt davon. Da vergleichbare Verbrechen
aber wie ein
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