Pastetenlust
ausrichten.”
Palinski blickte Wallner an und der wieder Palinski. Es war
aber Franca, die das Wort ergriff. Und plötzlich wussten alle, wer von ihnen
D’Artagnan war.
„Denken Sie wirklich, Herr Ministerialrat”, sie betonte den
durchaus achtbaren Berufstitel fast so, als ob es sich dabei um eine Obszönität
handelte, „dass diese Briefe und Fotos, die Frau Tessler zweifellos belasten,
keinerlei andere Deutungen mehr zulassen. Sind Sie tatsächlich von der Schuld
dieser Frau überzeugt?”
Besser hätte es Palinski auch nicht ausdrücken können.
Begeistert klatschte er in die Hände und war nahe daran, die junge Frau zu
umarmen und abzuküssen.
Etwas verunsichert blickte Schneckenburger zu Wallner, wohl
hoffend, wenigstens in diesem einen Verbündeten zu finden. Doch vergebens, wie
der abweisende Blick des Inspektors verriet.
„Aber die Frau hat ihre Schuld doch praktisch zugegeben.”
Miki flehte förmlich um etwas Zustimmung. „Der Minister geht davon aus, dass er
der Öffentlichkeit am Montag den erfolgreichen Abschluss des Falles Lettenberg
präsentieren kann.”
„Na und”, Palinski fand, dass Franca schon genug Schneid
gezeigt hatte und es an der Zeit für ihn war, mehr als nur Flagge zu zeigen,
sie aktiv zu unterstützen. „Selbst wenn der Papst morgen von der Kanzel Martina
Tesslers Schuld verkünden würde, wäre ich derzeit noch nicht überzeugt davon.”
„Papst ist Papst und Minister ist Minister”, begehrte
Schneckenburger auf und machte Palinski langsam wild.
„Abgesehen davon, dass der Papst selbst für mich als
Ungläubigen im Vergleich zu einem Minister ein wahrhafter Fels an
Glaubwürdigkeit ist”, donnerte er ganz gegen seine sonstige Art los, „frage ich
dich. Ist das deine Einstellung zu Recht, Gesetz und Gerechtigkeit? Hast du das
in den zehn Semestern an der Uni gelernt? Habe ich dir das beigebracht?” Er
hatte der Versuchung nicht widerstehen können, sein Gewicht als ehemaliger
Tutor in die Waagschale zu werfen.
Schneckenburger wollte sich schon gegen diese doch reichlich
massiven Vorwürfe zur Wehr setzen, hielt aber plötzlich wieder inne. Er blickte
leer vor sich hin, nach einer Weile meinte er.
„Du hast völlig recht . Erst gestern
habe ich meinem Minister, das muss man sich einmal vorstellen, meinem obersten
Chef sinngemäß genau das g leiche
gesagt.” Er schüttelte den Kopf. „Bei diesem Scheißdruck vergisst man manchmal,
was richtig ist und was falsch.”
Palinski klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. „Solange du
noch rechtzeitig drauf kommst, ist schon alles in Ordnung.” Die folgende, rund
dreißigminütige Diskussion endete damit, dass alle vier der Meinung waren, sich
Martina Tessler trotz der erdrückend erscheinenden Indizien als Täterin nur
schwer vorstellstellen zu können.
Die Gründe für diese zumindest derzeit kaum beweisbare
Position waren: Für Franca Aigner, die mit Martinas Eltern und Freund
gesprochen hatte, stand die Tat in ihrer Raffinesse völlig im Gegensatz zum
Naturell der jungen Frau. Diese wurde als scheu, unselbständig und sexuell
zurückhaltend beschrieben. Alleine die Vermutung, dass sie sich
sadomasochistischer Praktiken bedient haben sollte, war für die Menschen in
ihrer Umgebung unvorstellbar und wurde als schlimme Zumutung empfunden. Die
einzige Person, die ihrer Freundin die Tat offenbar zutraute, war Sophie
Lettenberg, wie ihre Reaktion auf Palinskis gestrige Eröffnung gezeigt hatte.
Die Art des Geständnisses pro futuro erschien ihnen äußerst
ungewöhnlich und warf mehr Fragen auf als sie beantwortete. Warum hatte die
Frau ihre Bekenntnisse nicht erst nach der Tat verfasst? Hatte sie gewusst oder
geahnt, dass sie keine Zeit mehr dazu haben würde? Dass Martina Tessler die Tat
nicht alleine durchgeführt haben konnte, war allen klar. Sie hätte den Leichnam
Lettenbergs nie alleine aus dem 4. Stock ins Freie bringen können. Wer aber war
der unbekannte Mittäter oder Helfer und wie war sie mit ihm in Kontakt
getreten? Und nicht zuletzt, wer war der Mann?
Nach Aussage des Maklers war die Wohnung über das Internet
angemietet worden. Die Bezahlung war durch einen Mann erfolgt, dessen
Beschreibung auf Roman Schuster schließen ließ. Zug um Zug mit der Bezahlung
war auch der Schlüssel übergeben worden. Den der Makler übrigens reklamierte,
der bei Martina Tessler aber nicht gefunden worden war. Wo also war der
Schlüssel?
Am irritierendsten war aber
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