Pastetenlust
Roman Schuster. Ich vermute, dass Sie, Sophie bei einem Besuch
der Oma, Josefa Willinger zufällig darauf gekommen sind, dass es den Zwilling
gibt. Auf jeden Fall waren Sie später auch in Reschitz oder Resita, um einen
Auszug aus dem Taufregister zu beschaffen. Pfarrer Puttinger hat mir das
bestätigt.“
„Aber das ist doch Blödsinn“, protestierte die Ex-Witwe, „ich
war nie bei Frau Willinger und schon gar nicht in Rumänien.“
„Sie bestätigen damit also,
dass meine übrigen Ausführungen zutreffen?“, Palinski blickte Sophie belustigt
an.
„Natürlich nicht“, protestierte sie neuerlich, „das ist alles
Phantasie, was Sie da von sich geben. Sie sollten sich als Märchenerzähler
versuchen.“
„Dann haben Sie oder einer von Ihnen beiden Roman bzw. Thomas
unter Vorspiegelung mir noch nicht bekannter falscher Tatsachen aus Rumänien
nach Wien gelockt. Wahrscheinlich haben Sie ihm den deutschen Reisepass
versprochen, den Sie“, er blickte zu dem Mann, „jetzt in Ihrer Tasche tragen.“
Jürgen Lettenberg nickte
anerkennend und deutete Applaus an. „Sie haben wirklich hervorragend
recherchiert. Aber wie Sie das alles beweisen wollen, ist mir ein Rätsel.“
„Also für den Nachweis, dass Sie Jürgen Lettenberg sind,
benötigen wir nicht einmal einen DNA-Test. Dazu reichen schon die Unterlagen
Ihres Zahnarztes. Sie erinnern sich doch noch.“ Palinski deutete an die Wange
in Höhe des Oberkiefers. „Die drei implantierten Beißerchen. Und der Rest wird
sich weisen.“ Palinski war jetzt kalt wie Maximilians Schnauze. „Ihre Frau hat
dann über Internet die Wohnung in Wien aufgetrieben. Da sie diese Websites in
ihre ›Favoriten‹ aufgenommen hat, war das unschwer festzustellen.“
Der auferstandene Schauspieler warf seiner Frau einen bösen
Blick zu, den sie mit einem schnippischen „Na und“ kommentierte. „Dann wurde
Roman alias Thomas in der Wohnung irgendwie dazu gebracht, sich nackt ans Bett
fesseln zu lassen. Ob Sie“, er blickte zu Sophie, „dann wirklich Sex mit ihm
hatten oder nicht, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall ist es zum Samenerguss
gekommen, bevor Sie ihn mit einer Plastiktasche erstickt haben.”
„Ich habe ganz vergessen, dich das zu fragen“, wandte sich
Lettenberg an seine Frau. „Hast du Thomas damals eigentlich gebumst?“
Sophie wurde langsam wütend. Da ging es um ihrer beider Hals
und Jürgen hatte keine anderen Sorgen, als ob sie mit seinem Zwillingsbruder
gefickt hatte.
„Na klar“, sie blickte ihn zornig an, „glaubst du wirklich,
ich lasse mir so eine Gelegenheit entgehen, du impotenter Wichser. And read my
lips, es war Spitzenklasse.“
Palinski hatte fast Mitleid mit dem betroffen wirkenden Mann,
vor allem empfand er aber eine Art perverser Freude für den dahingegangenen
Thomas. Der hatte wenigstens noch ein aufregendes Abenteuer gehabt, bevor er
endgültig abtreten hatte müssen.
„Dann haben Sie beide den Leichnam hinuntergebracht und auf
die Bank im Hof gesetzt. Was vielleicht nur als Zwischenstation gedacht war.
Als jemand aus dem Haus kam und den Hof überquerte, haben Sie“, er deutete
wieder auf den Mann, „getarnt mit einer blonden Perücke, so getan, als ob Sie
mit dem Mann schmusen würden. Damit haben Sie den Passanten zunächst auch
wirklich getäuscht. Warum haben Sie den toten Thomas eigentlich auf dieser Bank
sitzen lassen?“ Diese Frage beschäftige Palinski schon vom ersten Tag an.
Lettenberg schien eine Sekunde lang sogar bereit zu sein, auf
diese Frage einzugehen. Aber die zischend hervorgestoßenen Worte seiner Frau:
„Halt jetzt bloß den Mund, du Idiot“, verfehlten ihre Wirkung nicht.
„Auch egal“, Palinski glaubte, den Grund ohnehin zu kennen.
„Wahrscheinlich haben Sie sich gestört gefühlt, weil der Mann, der an Ihnen
vorbeigegangen ist, in seiner Erdgeschosswohnung ein Fenster geöffnet und dann
noch einige Zeit gearbeitet hat. Sie haben wohl befürchtet, dass er Sie weiter
beobachten könnte und sind einfach verschwunden.“
„Woher wollen Sie das alles wissen“, brach es aus Lettenberg
heraus. „Sie tun ja fast so, als ob Sie dabei gewesen wären.“
„War ich auch“, Palinski kostete die verblüfften Blicke des
sauberen Pärchens richtig aus. „Von dem Moment an, als Sie Ihren toten Bruder
beziehungsweise Ihren Schwager vor meinem Fenster zurückgelassen haben, war Ihr
Schicksal besiegelt. Denn ich bin ein Beißer. Wenn ich mich einmal in
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