Pastetenlust
›Nicht-Hochzeitstag‹ eine Originalausgabe von ›Cyrano de Bergerac‹ geschenkt
habe.
Was ich hier mache, während ich in Wilmas Wagen über die
Reichsbrücke fahre, ist Schäfchenzählen für angehende Freizeitkommissare. Wenn
ich nicht ohnehin säße, müsste ich mich hinsetzen, damit mir das Herz nicht
auch noch aus der Hose hinausrutscht. Es ist fast so schlimm wie vor meinen
Staatsprüfungen. Aber dort bin ich halt einfach nicht hingegangen. Diese Option
steht jetzt wohl nicht zur Diskussion.
Ich selbst habe mir bisher kein Auto leisten können oder
wollen, vor allem auch, weil Wilma in diesem Punkt relativ großzügig ist.
Schließlich ist der sechssitzige Van seinerzeit auch als Familienfahrzeug
angeschafft worden. Wo sind hier im Wagen die Papiertaschentücher?
Wahrscheinlich im Handschuhfach. Was ist das denn? Seit wann hat Wilma eine
Waffe im Wagen? Ja, ich erinnere mich. Eine wichtige Übersetzungsarbeit hat sie
vor mehreren Monaten häufig gezwungen, in der Nacht unterwegs zu sein. Damals
hat es mehrere Überfälle auf allein stehende Frauen gegeben. Was steht da auf
der Schachtel? Gaspatronen. Na Gott sei Dank keine echte Killerin in der
Familie. Auf was für blöde Ideen man kommt.
Aha, hier ist die Abzweigung nach Bockfließ. Noch sechs
Kilometer und dann noch rund zwei in Richtung flaches Land. Wo ist denn Wallner
mit seinem Fahrzeug?
Soll ich die Gaspistole mitnehmen? Fühle ich mich dann
besser oder schlechter? Wenn überhaupt, dann nur ohne Munition, denn diesen
beißenden Gasgeruch hält ja kein Mensch aus.
Ich freue mich schon auf heute Abend. Auf Wilma und die
Kinder. Ich bin schon auf ihr Gesicht gespannt, das sie machen wird, wenn ich
ihr den Ring geben werde.
Soll ich noch schnell mit dem Hund eine Runde drehen,
damit er nachher Ruhe gibt? Was meinst du, Maximilian?
*
Eine junge Frau in einem aufreizenden
Tennisdress und ein Mann, der dem gesuchten Roman Schuster sehr ähnlich sah,
saßen am Tisch im Wohnzimmer des kleinen, zur ›Hellerbachmühle‹ gehörenden
Blockhauses. Die stabile Holzkonstruktion befand sich in einer Entfernung von
etwas mehr als 300 Meter vom Gebäudekomplex des beliebten Reiterhofes entfernt.
Am Waldrand und außer Sichtweite des Haupthauses liegend war das nicht
luxuriös, aber recht komfortabel ausgestattete Häuschen ein beliebtes Ziel für
Paare, die Abgeschiedenheit und Diskretion zu schätzen wussten.
Aber auch für Menschen, die sich selbst genug waren oder für
Familien mit maximal zwei Kindern war das Blockhaus
ein ideales Ferien- oder Freizeitdomizil. Neben den Möglichkeiten des Reiterhofes
konnte man hier auch Schwimmen, Tennisspielen und in nur drei Kilometer
Entfernung über 18 Löcher golfen. Ein kleiner Fischteich, der zu Fuß in fünf
Minuten zu erreichen war, rundete das Angebotsspektrum ab.
Die kleine, voll
ausgestattete Küche im Häuschen ließ den Gästen die Wahl, sich selbst zu
versorgen oder die Leistungen des hervorragenden Hotel-Restaurants in Anspruch
zu nehmen. Walter Kleinsüß, der rührige Chef der ›Hellerbachmühle‹ wollte seine
Anlage demnächst um drei weitere Blockhäuser erweitern und stand schon in
Verhandlungen mit dem Bauern, dem das Nachbargrundstück gehörte. Denn obwohl
die Miete für das kleine Haus je nach Saison immerhin bis zu 150 Euro proTag
betrug, bestand reges Interesse. Erst heute früh hatte sich ein Herr Van
Burmeister sehr enttäuscht darüber gezeigt, dass er nicht sofort einziehen
konnte. Wahrscheinlich ein heißes Rendezvous, das nicht warten konnte, hatte
Kleinsüß gedacht.
Palinski
hatte Wilmas Wagen auf dem Abstellplatz knapp 200 Meter vom Blockhaus abgestellt.
Trotz seiner Ab-
neigung gegen Waffen hatte er die ungeladene
Gaspistole Wilmas eingesteckt, wollte sie aber nicht benützen. Jetzt kauerte er
unter dem geöffneten Fenster des Wohnraumes, um etwas von dem mitzubekommen,
was die beiden im Haus besprachen. Das Paar schien sich absolut sicher zu
fühlen, zumindest vorläufig.
„Heute ruhen wir uns noch einmal richtig aus”, stellte die
Frau fest. Wie es schien, hatte sie die Hosen an in dieser Partnerschaft.
„Morgen früh fährst du dann bei Berg über die Grenze. Bei dem
starken Verkehr am Wochenbeginn gibt es sicher keine Schwierigkeiten. Kurz nach
13 Uhr geht deine Maschine von Bratislava ab. Und übermorgen Abend bist du
schon in Asuncion.”
„Und wann kommst du mit dem Geld nach?”, wollte der
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