Pastworld
übernatürliche Kräfte zu haben.«
»Vielleicht hat er die«, sagte der Inspektor und lächelte, »und auf irgendeine höchst merkwürdige Art und Weise scheint es sich bei ihm um mehr zu handeln als um bloße Verbrechen. Seit seinem ersten mysteriösen Auftauchen und seinen verwegenen Taten nimmt das Phantom einen besonderen Platz in der Mythologie von Pastworld ein. Aber er hat auch eine Achillesferse. Ich weiß mehr über ihn, als ich Ihnen an dieser Stelle verraten kann. Er fühlt sich heftig von einem jungen Mädchen angezogen, von dem er glaubt, dass es zu ihm irgendwo in der Vergangenheit eine starke Verbindung gibt. Vor allem anderen ist das Phantom auf der Suche nach diesem Mädchen und wird nichts unversucht lassen, es zu finden. Die Geschichte des Mädchens ist in einem weiteren Dossier nachzulesen. Ihr Vormund, ebenfalls ein früherer wichtiger Mitarbeiter der Buckland Corporation, ist das Opfer der Messerstecherei. Seine Leiche wird zurzeit aller Wahrscheinlichkeit nach an einem illegalen Ort an Rande einer Mördertour versteckt sein, da sie sich nicht mehr am eigentlichen Tatort in Clapham befindet. Sie müssen sie finden und identifizieren. Außerdem legt die Corporation seit dem Verschwinden des Mädchens größten und dringlichsten Wert darauf, dass es gefunden und in Sicherheit gebracht wird. Wir müssen es aufspüren, bevor das Phantom es tut. Und nun muss ich auch noch Mr Lucius Brown und seinen Sohn Caleb dieser Liste hinzufügen, sie sind in unserem Fall von zentraler Wichtigkeit. Nichts darf uns daran hindern, sie zu finden. Soweit es mich betrifft, haben Sie sämtliche Freiheiten, so wie Sie es für richtig halten, gegen das Phantom vorzugehen.«
Lestrade ging zu dem schweren, kompakten Eisensafe, der auf dem Boden seines Kleiderschranks befestigt war. Er stellte die Kombination ein, öffnete die dicke Tür und holte eine Akte und einige Umschläge heraus. Einen davon steckte er hinten in den Aktenordner und trug ihn zu seinem Schreibtisch.
»Lesen Sie dieses Dossier, damit Sie alle Hintergründe kennen. Es ist ausschließlich für Ihre Augen und Ihren Gebrauch bestimmt, haben Sie verstanden? Lesen Sie zwischen den Zeilen und gehen Sie dann los und finden Lucius und seinen Sohn.« Der Inspektor ergriff Catchpoles Hand und schüttelte sie. »Es ist ein wichtiger Fall, also enttäuschen Sie mich nicht, Sergeant Catchpole.«
Nachdem Catchpole sich mitsamt den Unterlagen zu seiner Unterkunft aufgemacht hatte, bereitete sich der Inspektor auf ein weiteres Treffen vor. Ein Treffen an einem ganz anderen Ort und mit einem weitaus schwierigeren und anspruchsvolleren nächtlichen Gesprächspartner.
21
Die schweren Buntglastüren klapperten, als BibleMac sie aufdrückte, und er und Caleb in eine warme Welt voller Essensgerüche eintraten. Es roch nach gebratenem Speck, Würstchen, Kartoffeln und Lammkoteletts, nach Bier, schwarzem Kaffee und feuchten Wollmänteln. Und es war laut: Fett zischte, Teller klapperten, Bestellungen wurden ausgerufen, lautstarke Unterhaltungen und das raue Gelächter von Halloweenpartybesuchern, Gaffern und Einheimischen. Resolute Kellnerinnen in Schwarz mit weißen Schürzen und Häubchen rannten hin und her. BibleMac und Caleb waren bis zu den hölzernen Garderobenständern vorgedrungen, als eine Kellnerin sich ihnen in den Weg stellte.
»Hier nicht rein, ihr nicht«, sagte sie und musterte beide von oben bis unten. BibleMac sagte rasch: »Es ist schon in Ordnung, ich bin mit diesem feinen, jungen Herrn hier. Ich bin sein Gast. Sie sehen doch, dass er ein respektabler, gut angezogener Gentleman ist. Schauen Sie ihn an, hab ich nicht recht?« Die Kellnerin musterte BibleMacs heruntergekommene Kleidung. Dann schaute sie auf den blassen, unter Schock stehenden Jungen mit seiner dunklen Haarmähne, seinen leuchtend meerblauen Augen, dem eleganten Mantel und den guten Stiefeln. Sie schüttelte den Kopf. Als BibleMac ihr ein paar Silbermünzen hinhielt, machte sie widerstrebend Platz; aber bevor sie noch weitergehen konnten, sagte sie: »Wo sind deine Manieren, junger Mann?« Sie riss BibleMac die Mütze vom Kopf und warf sie ihm zu, als wäre sie ansteckend. BibleMac lächelte sie gutmütig an. Mit der Mütze in der Hand ging er zu einem Tisch am Fenster. Höflich zog er einen Stuhl hervor und bedeutete dem blassen Jungen, Platz zu nehmen. »Blöde Kuh«, murmelte er grinsend.
BibleMac setzte sich Caleb gegenüber, streckte die Beine von sich, griff in seine Jacke
Weitere Kostenlose Bücher