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Pastworld

Pastworld

Titel: Pastworld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Beck
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sind die Armen«, murmelte er. Er betrachtete die Fotos ebenso gewissenhaft, wie er fast täglich Dutzende von ähnlichen Unterlagen studierte. Es bestand immer die Chance, auf dieses einzigartige und wunderschöne Gesicht zu treffen. Das verschwundene Mädchen, das er nur ein- oder zweimal gesehen, aber nie vergessen hatte. Bei diesen Fotos fand er jedoch nichts, was seine Aufmerksamkeit erregte. Er steckte sie in den Umschlag zurück und zog die Schleife wieder durch die Öse. Es klopfte an der Tür. »Herein«, sagte er.
    Inspektor Hudson war ein knallharter professioneller Polizist. Er hatte wenig Sinn für Fantasie, geschweige denn für Träume der Vergangenheit. Genau wie Sergeant Catchpole war er durch und durch ein Mann der Corporation, nur dass er die Arbeit der Polizei in Pastworld für überaus uneffektiv hielt. Das machte ihn wahnsinnig. Die Polizeiarbeit wurde durch Vorschriften behindert, die in seinen Augen nur nutzlos und konstruiert waren. Der Anblick der nächtlichen Stadt durch das Bullauge deprimierte ihn – dieses gelbliche Licht der Laternen und der Nebel … Er hatte nie Lust verspürt, seine Zeit dort zu verbringen, hatte nie verstanden oder ein Gespür dafür entwickelt, worin ihre Anziehungskraft bestand.
    Sein Kollege Sergeant Catchpole jedoch wurde jedes Mal ganz aufgeregt, wenn sie nach Pastworld flogen. Er hatte das Gefühl, nach Hause zu kommen. Er war ein Romantiker. Er fand den Anblick der durch den -wenn auch nur künstlichen – Nebel verschwommenen weichen Lichter in einer Art und Weise schön, die Hudson nie verstehen würde. Sergeant Catchpole mochte das beglückende Gefühl, in die Geschichte einzutauchen. Das Erlebnis, die Zeit zurückzudrehen. Er fühlte sich dadurch verwandelt, jedes Mal ein bisschen mehr.
    Wenn sie mit dem Luftschiff nach Pastworld fuhren, musste jede Unterlage und jede Akte, die sie bei sich hatten, peinlichst genau authentisch sein. Fotos waren nur in der Machart, wie sie damals gewesen waren, erlaubt. Fotos per E-Mail, Computer, Videoaufnahmen, Telefon – alles das war verboten. Es gab eine Art Fernschreiber und vereinzelte Elektrizitätsquellen in Pastworld, aber das meiste war zusammen mit den Versorgungsleitungen »unter den Treppen« versteckt. Alle polizeilichen Ermittlungsmethoden in Pastworld mussten der Zeit und dem Ort angepasst werden. Es gab zwar eine Reihe von Überwachungskameras, aber sie waren sehr sorgfältig verborgen. Alle sicherheitstechnischen Geräte wurden von der Buckland Corporation auf ein Minimum beschränkt. Die Authentizität der Erfahrung – darauf kam es an. Vor ungefähr einem Jahr hatte Hudson es durch intensive Lobbyarbeit geschafft, den Einsatz der winzigen E-Spion-Überwachungs- und Übertragungskameras durchzusetzen. Sie waren nicht größer als eine Nähnadel und sahen einer Libelle ähnlich. Im Londoner Nebel waren sie so gut wie unsichtbar. Sie konnten aus der Ferne vom Buckland Sicherheitsdienst kontrolliert werden und ihr Einsatz wurde durch »außergewöhnliche Ereignisse« ausgelöst. Statt nach Scotland Yard wurden die Bilder direkt ins Comms Center übertragen. Dort wurden sie analysiert und wenn sie für wichtig genug gehalten wurden, erfolgte eine Reaktion.
    Hudson und Catchpole hatten die Ankunftsformalitäten in Pastworld schnell erledigt und stiegen kurze Zeit später die Treppe zum Büro hinauf. Hudson, der sich wie üblich in seiner Verkleidung unbehaglich fühlte, klopfte an die Tür.
    Wenn Inspektor Lestrade merkte, wie unwohl sich seine Untergebenen und die Polizisten aus der Außenwelt bei einem Besuch in Pastworld fühlten, wog das die Strapazen, die Frustration und die schiere Sonderbarkeit des Lebens und Arbeitens in Pastworld ein wenig auf. Mit einem amüsierten und überraschten Lächeln bat er Hudson und Catchpole hinein. Die Tatsache, dass sie zu so später Stunde, zu zweit und ohne Vorankündigung oder schriftliche Einladung gekommen waren, versetzte den Inspektor in eine nervöse Aufregung. Sein Magen ballte sich zusammen. Waren sie gekommen, weil … weil …?
    »Welch eine Überraschung. Nehmen Sie Platz, meine Herren, machen Sie es sich bequem«, sagte der Inspektor und legte die Art von Formalität an den Tag, die der Scheinwelt, in der er lebte, angemessen war.
    Sie nahmen Platz. Hudson legte einen großen braunen Papierumschlag auf den Tisch.
    »Er ist wieder da«, sagte Hudson, griff sich an den Hals und zerrte an seinem Kragen.
    Bevor er den Umschlag öffnete, fragte der

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