Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
beißen, wie Adam im Garten Eden. Würde er dadurch aus seinem Paradies vertrieben? Mit Sicherheit nicht, dazu musste man doch erst einmal in das Paradies hineingelangen. Was also hätte er zu verlieren?
Joana drehte ihn an den Schultern nach Osten und riss ihn aus seinen zwiespältigen Gedanken. Sie wies auf eine Küstenlinie, wo östlich von Almuñécar die Stadt Motril und am Horizont das Kap Sacartif lag. Damit hatten sie ihren 360 Grad Rundgang um den Leuchtturm beendet und Kilian stellte sich vor, alle diese Orte mit Joana aus der Nähe zu erkunden. Sie marschierte wieder zur Westseite des Leuchtturms und zeigte auf den Ort La Herradura hinab. »Wir fahren jetzt dort runter und essen erst mal eine Tapa«, bestimmte sie. Zumindest was einen Ort anbelangte, würde sich also sein Wunsch erfüllen, dachte Kilian.
Im Dorf kehrten sie an der Strandpromenade bei einem Lokal namens »Janot« ein. Es schien ein beliebter Treffpunkt bei Spaniern und Residenten aus dem Ausland zu sein, jedenfalls war das Lokal laut und überfüllt. Die Glastheke an der Bar enthielt alles, was das Meer zu bieten hatte. Kilian musterte die Auswahl, während Joana von einem Paar umarmt wurde, das ihr sein Beileid aussprach. Danach setzten sie sich an einen Tisch und Joana bestellte zwei kleine Biere.
»Isst du gerne Fisch?«, fragte sie ihn.
»Natürlich. Meistens freitags! Am liebsten Fischstäbchen mit Kartoffelsalat und süßen Senf. Bestellst du das bitte für mich?«
Joana sah ihn stirnrunzelnd an. Schließlich musste er grinsen und sie schüttelte tadelnd den Kopf und lächelte zurück.
Beim Ober bestellte sie gegrillte Sardinen, Miesmuscheln in Tomatensoße, Garnelen in pikantem Olivenöl, frittierte Tintenfischringe und gebratenen Seehecht. Dazu zwei Gläser Weißwein. Hinterher fragte sich Kilian, ob er jemals zuvor etwas Besseres gegessen hatte.
Nach dem Essen fuhr sie mit Kilian zur Guardia Civil. Bis sie zur Arbeit musste, blieb noch ein wenig Zeit und diese Zeit wollten sie nutzen, um sich von Paco über die laufenden Ermittlungen informieren zu lassen. Paco begann seine Ausführungen mit einem resignierten Achselzucken.
»Wir haben noch immer nichts Konkretes, Joana. Wegen des Engländers haben wir eine Anfrage an Interpol gestellt, aber noch keine Antwort erhalten. Heute Morgen haben wir ihn mit einer Dolmetscherin verhört.« Paco griff nach den Zigaretten. »Gut, wir fragten ihn also, wo er bei Mord Nummer eins, zwei und drei gewesen ist, aber er konnte sich nicht mehr erinnern. Entweder war er alleine in seinem Zimmer oder in einer englischen Kneipe in Almuñécar. Das gab er zu Protokoll. Natürlich behauptete er, er hätte mit der ganzen Geschichte nichts zu tun, und das Traurige ist: Wir haben dem nichts entgegenzusetzen, außer dass man glauben möchte, er wurde von einem Bullterrier gezeugt.« Paco trat ans Fenster und öffnete es. Verkehrslärm drang in den Raum. Er zündete seine Zigarette an und wuchtete sich auf das Fensterbrett.
»Hast du ihn gefragt, warum er im Hotel eine falsche Adresse angegeben hat?«, wollte sie wissen.
Paco nickte. »Ja. Er meinte, er habe sehr wohl seine korrekte Adresse angegeben. Moment mal!« Paco ließ seine Kippe auf dem Fensterbrett zurück und ging an seinen Schreibtisch, wo er sich über einen Aktenordner beugte. »Er sagte, er wohne in Warrington in der Wharf Street 21, aber im vierten Stock, Tür Nummer drei. Und diesen Zusatz hat er wohl auf dem Anmeldeformular vergessen zu notieren. Der Modeladen hat dieselbe Hausnummer, liegt jedoch in einem Geschäftslokal im Erdgeschoss des Wohngebäudes. Der Engländer sagte aus, dass er die Wohnung von seiner Schwester Melissa Cartridge übernommen hätte. Er zeigte uns auch einen Ausweis, der diese Adresse bestätigte.« Paco wandte sich wieder seiner Zigarette am Fensterbrett zu. »Wir warten also noch ab, ob von Interpol etwas kommt, aber ich hab das Gefühl, dass dies nirgendwo hinführt.« Er nahm einen tiefen Zug und blies den Rauch ins Freie. »Mit dem Neffen deines Chefs haben wir das gleiche Problem. Wir haben ihn in die Mangel genommen und dieser verzogene Bengel fand das sogar noch richtig cool! Er erinnerte sich daran, mit einer Dänin im Bett gewesen zu sein, als das mit ähm … seinem Bruder passierte.« Paco blickte zu Kilian hinüber. »Die Dänin aber war eine Touristin. Der Junge hatte sie irgendwo in den Strandkneipen aufgegabelt. Name oder Adresse kannte er nicht. Für die Nacht, in der deine Mutter starb,
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