Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
dieser Brühe. Er hustete und erbrach sich halb über und halb unter Wasser, wodurch er noch weniger Luft bekam und noch mehr Wasser schluckte. Eine weitere Welle rollte über ihn hinweg und drückte ihn nach unten. Von einem Wasserwirbel herumgeworfen, vollzog er eine halbe Drehung und wusste für einen Moment lang nicht, wo oben und wo unten war. Langsam, wie die Luftblasen, die aus seinem Mund an die Oberfläche trieben, sickerte die Erkenntnis in sein Hirn, dass er gerade dabei war, zu ertrinken, obwohl er ein ausgezeichneter Schwimmer war. Aber der Gedanke, hier zusammen mit seinem Bruder auf den Grund zu sinken, erfüllte ihn nicht einmal mit Panik. Er öffnete die Augen und starrte zur Sonne hoch, die durch diese Gewitterwolke aus grauer, versinkender Asche zu ihm herunterleuchtete wie eine Ankündigung, dass das Gewitter bald vorbei sein könnte, wenn er das nur wollte! Schräg über ihm zeichnete sich der schwankende Schatten des Fischerbootes ab, der sich langsam von ihm zu entfernen schien, weil er nicht mehr strampelte wie ein Frosch in der Milch. Wie oft hatte er in den letzten Monaten an Suizid gedacht? Bei seinen ernsthafteren Überlegungen hatte er sich ausgemalt, wie er es würde anstellen können, aber an Ertrinken hatte er nur dieses eine Mal gedacht, als er in München die Isar nicht finden konnte. Jetzt aber müsste er nur seinen Mund öffnen und ein letztes Mal tief einatmen, dann würde er friedlich dem Grund entgegensinken, gefolgt von der Aschewolke seines Bruders, die wie nach einem Vulkanausbruch über ihm schwebte. Seine Atemnot nahm zu. Es galt eine Entscheidung zu treffen, und zwar eine sehr ernste. Noch konnte er an die Oberfläche gelangen, wenn er das wollte! Aber im nächsten Moment wurde ihm diese Entscheidung abgenommen. Neben dem Boot stürzte ein von Luftblasen umhüllter Körper ins Wasser.
40
S o hilf ihm doch!«, schrie Joana und zog an Antonios Hand. Antonio dachte erst gar nicht daran. Kilians Kopf war nirgends zu sehen, vielleicht war er schon ertrunken.
»Antoniooooo!«
»Nein, ich spring nicht auch noch ins Wasser!«, schrie er zurück und stieß sie von sich. »Das ist zu gefährlich, verdammt noch mal!«
»Aber … Kilian ertrinkt doch!«, jammerte sie.
»Wenn ich springe, ertrinke ich vielleicht auch, was kann ich denn dafür, wenn er ins Wasser fällt?« Er suchte die raue See ab …
Nichts.
»Pedazo de cabrón!«, fluchte Joana, holte tief Luft und stürzte sich kopfüber ins Meer.
Verdammte Weiber, dachte Antonio. Es gibt nichts Schlimmeres als dumme verliebte Weiber! Genau wie Elena, die wegen ihrer krankhaften Liebe zu ihm sterben musste. Und jetzt riskierte Joana für diesen sonderbaren Deutschen ihr Leben und noch dazu genau an der Stelle. Er sah sich um. Ja, in etwa hier musste es gewesen sein, dachte er und lächelte. Hier war das Wasser etwa einhundert Meter tief und am Meeresgrund würde auf Joana eine kleine Überraschung warten. Er versuchte eine Zigarette aus der Packung zu fummeln, aber seine Hände zitterten vor Erregung so sehr, dass er sein Vorhaben schließlich wieder aufgab und sich an sein bockendes Boot klammerte. Er könnte gleich zur Küste zurückfahren und damit den sicheren Tod der beiden besiegeln, aber er wollte diesem Schauspiel noch ein wenig zusehen, obwohl das Boot jetzt gefährlich voller Wasser war. Trotzdem, er konnte sein Glück kaum fassen. Er musste Joana und Kilian, die ihm wegen ihrer Schnüffelei immer noch gefährlich werden konnten, nicht mal ins Wasser stoßen. Sie sprangen von selbst hinein!
Antonio lachte auf und legte seine Hand an den vibrierenden Gashebel. Und das Beste dabei war: Ihn konnte wieder niemand belangen! Es war nichts weiter als ein tragisches Bootsunglück. Zwei Tote mehr oder weniger, darauf kam es nun auch nicht mehr an!
Natürlich würde er sich den lästigen Fragen der Guardia Civil stellen müssen, die ihm aber am Ende wieder nichts beweisen könnte. Pedazo de cabrón hatte Joana ihn eben genannt. Er setzte sich für diesen sentimentalen Deutschen und ein Kilo Asche einer Gefahr aus, die nun wirklich nicht mehr zu unterschätzen war, und als Dank dafür erntete er auch noch ein »verdammtes Arschloch!«
Antonio drehte am Gashebel und das Boot nahm zuckelnd Fahrt auf. Er hatte gerade entschieden, dass es nun genug sei und er in die rettende Bucht zurückkehren musste, solange es noch ging, als er hinter einem Wellenkamm Schreie hörte. Er starrte in die Richtung und tatsächlich hob die
Weitere Kostenlose Bücher