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Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)

Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pata Negra: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduard Freundlinger
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mit knappen Worten mit, dass er sein Rückflugticket schon in der Tasche habe, es aber in der Annahme kaufte, das Konsulat würde Xavers Rückführung für ihn schon erledigen. Joana lud ihn zu einem Bier ein und er schilderte ihr sein Problem mit Xavers Leichnam. Es dauerte keine fünf Minuten, bis sie ihn davon überzeugen konnte, dass eine Seebestattung die einzige Möglichkeit war. Widerwillig stimmte er zu, seinen Bruder auf den Grund des Ozeans sinken zu lassen. Der Kuss aus der Finca hing unkommentiert zwischen ihnen, und sie führten ihr Gespräch fern der Vertrautheit, die schon einmal zwischen ihnen geherrscht hatte. Er erzählte Joana – der bekennenden Atheistin, die Jesus Christus auf eine Stufe mit Che Guevara stellte – lieber nicht, wie er sich entschieden hatte: In drei Tagen würde er den Termin in Passau wahrnehmen, und wenn er wieder in den Dienst Gottes treten dürfte, dann würde er es auch tun. Eine Wiederaufnahme war für ihn wie ein Rettungsring, den man einem Ertrinkendem zuwirft. Und er musste nach dieser Hilfe greifen, ehe es zu spät war. Seine Depressionen begannen schließlich an dem Tag, als er das Seminar unterbrochen hatte, um sich um seine kranke Mutter zu kümmern, und die Depressionen fanden, über viele weitere Stationen, mit Xavers Tod ihren vorläufigen Höhepunkt. Joana hatte zum Glück die Einäscherung und das Boot innerhalb von zwei Tagen organisieren können. Übermorgen konnte er also wie geplant nach München fliegen, um hoffentlich vor dem Priestergremium zu bestehen.
    Das Schiff verließ die geschützte Bucht und Antonio verlangsamte die Fahrt. Kilian krallte sich an der Holzbank fest und Joana umklammerte seinen Arm. Eine Welle brach über den Bug und ein Eimer Meerwasser schwappte über die Schiffsplanken. Antonio schrie Joana etwas gegen den Fahrtwind zu. Immer noch in Gedanken versunken, nahm Kilian kaum Notiz von ihrem Ritt durch die Wogen. Wie hypnotisiert starrte er auf die anrollenden Wellen und auf die Pelikane, die darüber hinwegglitten, ohne mit den Flügeln zu schlagen.
    Ja, er hatte sich entschieden, wieder in die Kirche einzutreten, aber nicht, weil es seine innerste Überzeugung war, Gott zu dienen. Als ihn Joana bei der Kapelle fragte, ob er noch an Gott glaube, hatte er ihr spontan keine Antwort geben können. Die Wahrheit war, dass sein Glaubensgerüst ordentlich wackelte, als hätte man ein paar zentrale Schrauben gelöst. Vielleicht glaubte er nur an Gott, weil er es nicht wagte, nicht an ihn zu glauben? Oder weil man ihm sein Leben lang so sehr den Glauben der katholischen Kirche eingetrichtert hatte, dass er nicht imstande war, kontroverse Gedanken zu diesem Thema zu entwickeln wie beispielsweise Joana? Und was, wenn er in Marokko aufgewachsen wäre, dem Land, dessen Küstenlinie man von hieraus beinah erkennen konnte? Dann wäre er jetzt Moslem und hielte den Islam für den einzig wahren Glauben.
    Aber letztendlich war es egal, dachte Kilian. Er musste es eben als Job ansehen weniger als Berufung, und Dorfpfarrer in einer idyllischen bayerischen Gemeinde zu sein, das wäre bestimmt kein schlechter Job. Ein paar Beerdigungen, Taufen und Hochzeiten, dazu die Sonntagsmessen und richtig Stress nur zu Weihnachten und Ostern. Von jedermann im Ort würde er wohl mehr respektiert werden als der Bürgermeister selbst und für seine Gemeindemitglieder hätte er immer ein offenes Ohr, nicht nur dann, wenn sie zu ihm zur Beichte kämen. Ja, so konnte er sich seine Zukunft vorstellen. In gewisser Weise fühlte er sich wie ein Beamter, der lieber die Sicherheit eines Staatsdienstes bevorzugte, anstatt mithilfe eines Kredites eine Firma zu gründen. Auch in der freien Marktwirtschaft erledigten die Angestellten oftmals ihre Arbeit ohne innere Überzeugung, warum sollte das bei einem Pfarrer nicht genau so sein dürfen? Dies ungefähr versuchte er sich einzureden, seit er die kaum noch erwartete E-Mail aus Passau geöffnet hatte. Das größte Problem bei seinem zukünftigen Job würde die Keuschheit sein. Dazu würde er sich verpflichten müssen, aber auch hier musste man erst mal abwarten, wie sich das Thema entwickelte. Schließlich musste ein Mann bei seiner Vermählung auch schwören, nur diese eine Frau sein Leben lang zu lieben und wie viele Ehemänner hielten sich nicht an dieses Versprechen? Auch als Pfarrer könnte er eine Geliebte haben, schließlich war er auch nur ein Mensch, und noch dazu einer, der schon von der verbotenen Frucht gekostet hatte.

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