Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
nächste Welle die Köpfe der beiden an. Sie schlugen mit den Händen wie Ertrinkende um sich oder winkten sie ihm zu? Er drückte den Hebel an der Seite des Außenborders in den Leerlauf und zögerte.
Selbst wenn er es gewollt hätte, würde er die beiden nicht an Bord ziehen können. Der Rumpf war nun so voll mit Wasser, dass sein Boot einfach kein zusätzliches Gewicht mehr verkraften konnte. Es könnte kentern und dann würde er nur wegen eines Eimers Asche ersaufen. Also versuchte er, die Schreie zu ignorieren, was ihm allerdings nur mäßig gelang. Bei der Finca hatten die beiden dieselben winselnden Laute von sich gegeben.
Antonio wandte sich um. Die Entfernung bis zum Strand schätzte er auf etwas über zwei Seemeilen. Knapp vier Kilometer also, die die beiden gegen Wellen, Wind und Strömung würden ankämpfen müssen. Das war eigentlich unmöglich zu schaffen, aber in Todesangst?
Joana war stark und der Deutsche machte ebenfalls einen fitten Eindruck. Außerdem hatten sie sich bereits aus der Finca befreien können, sie waren es also gewöhnt, um ihr Leben zu kämpfen. Wenn er jetzt an die Küste fuhr, als wäre nichts geschehen und die beiden könnten doch an Land schwimmen oder würden gar von einem anderen Boot aufgegriffen, dann wäre er verdammt schwer in Erklärungsnot.
Er sah sich um.
Außer ihm war kein Schiff zu sehen, nur ein Tanker weit draußen am Meer.
Antonio fluchte und blickte zu den beiden hinüber, die immer noch wild mit den Armen fuchtelten. Kilian hielt die Kupferurne wie einen Rettungsring umklammert. Gab die Scheißurne ihm etwa auch noch Auftrieb? Wäre er doch nur weiter rausgefahren, dachte er, dann könnte er den beiden jetzt zuwinken und gemütlich an Land tuckern, als käme er gerade vom Fischen.
Er betrachtete die matschigen Blumen, die über die Planken schwappten, und grinste, als ihm mit einem Mal einfiel, was er zu tun hatte. Die einfachsten Ideen sind immer noch die Besten, dachte er und legte den Vorwärtsgang ein. Er musste Joana und Kilian nur mit der Schiffschraube einen ordentlichen Scheitel ziehen, dann wäre sein Problem endgültig gelöst.
Joana verstand nicht, worauf Antonio noch wartete. Wieso kam er nicht zu ihnen herüber, funktionierte der Motor etwa nicht mehr?
Wieder winkte sie und schrie gegen den Wind an, obwohl sie wusste, dass Antonio sie schon längst gesehen haben musste, da er in ihre Richtung blickte. Kilian, immer noch mit der Urne in der Hand, hustete und spuckte Wasser.
Sie war vom Schreien und Wassertreten so außer Atem, dass sie Kilian nicht fragen konnte, was das eben zu bedeuten hatte. Als sie über Bord gesprungen war, hatte sie in ein paar Metern Tiefe nicht mehr als seinen Schatten erkennen können. Sie war darauf zugetaucht, weil sie annahm, dass er bewusstlos zum Meeresgrund sank. Aber auf halbem Weg, als ihr unter einsetzender Atemnot bereits Zweifel am Erfolg ihrer Rettungsaktion kamen, tauchte der Schatten wie ein Delfin auf sie zu, schnappte sie am Arm und zog sie zurück zur Wasseroberfläche, als galt es, sie zu retten, und nicht umgekehrt.
Erleichtert sah Joana, wie sich das Boot endlich in ihre Richtung drehte und nun schnell auf sie zukam. Aber anstatt vor ihnen abzubremsen, schlingerte das Boot in voller Fahrt keinen halben Meter an ihnen vorbei. Eine Bugwelle brach über sie hinweg.
Joana strampelte sich an die Oberfläche zurück. »Pass doch auf! Idiota!«, schrie sie Antonio hinterher. Sie wurde von einer Woge angehoben und sah, wie Antonio das Boot wendete. Dann sank sie ins Wellental hinab und verlor das Boot aus den Augen. »Nun mach endlich!«, schrie sie. Lange würde sie sich nicht mehr über Wasser halten können.
Antonio schien sie gehört zu haben. Der Motor heulte auf und das Boot kam wieder auf sie zu. Aber erneut schien es zu schnell zu sein. Was macht dieser Kerl?, fragte sie sich. Der mit zotteligen Algen und Muscheln besetzte Rumpf mit den beiden Pfosten, die wie Hörner aus dem Bug ragten, kam ihr mit einem Mal bedrohlich vor …
Auf halbem Weg nahm Antonio das Gas weg und starrte nach Westen. Joana wandte ihren Kopf und folgte seinem Blick zur Landspitze beim Aquatropic, hinter der nun ein Schiff der Zollfahndung wie ein Tragflächenboot über die Wellen donnerte. Und dann endlich drehte Antonio sein Fischerboot vor ihnen längsseits. Der Rumpf hob und senkte sich beängstigend vor ihren Köpfen. Joana wollte sich an der Bordwand hochziehen, aber ihr fluchender Kollege bedeutete ihr zu warten.
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