Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
Stattdessen riss er Kilian die Urne aus der Hand und machte sich daran, damit das Boot leerzuschöpfen, während Joana und Kilian sich an der Holzwand festkrallten und wie Zylinder in einem Kolben im Wasser auf und abstampften.
Als er das Boot vom Gewicht des eingedrungenen Wassers erleichtert hatte, ließ er die beiden sich an Bord ziehen, ohne ihnen jedoch zu helfen. Joana fiel in den Rumpf und schlitterte über die Holzplanken bis zur gegenüberliegenden Bordwand. Sofort rappelte sie sich auf und strafte ihn mit einem Blick, dass er dachte, sie würde ihm gleich eine scheuern. »Du hättest uns eben umbringen können!«
Genau das wollte ich auch , hätte er am liebsten geantwortet, stattdessen aber erklärte er: »Der Gashebel klemmte etwas und meine Hand war so feucht, dass ich am Gummi abgerutscht bin. Sorry, aber es ist ja nichts passiert.«
Joana blickte ihm böse in die Augen, aber er hielt ihrem Blick stand. Dann ließ sie sich erschöpft zu Boden sinken. Sie hat die Geschichte geschluckt, dachte er und musterte Joana wie ein Jurymitglied bei einem Wet-Shirt-Contest in Ibiza. Sie fingerte in der Ritze zwischen Bordwand und Holzplanken herum, als hätte sie dort etwas verloren. Antonio kippte den Ganghebel nach vorne und bahnte sich zwischen den Wellenkämmen einen Weg zurück in die sichere Bucht, während das Zollboot keine hundert Meter weiter an ihnen vorbeijagte. Er hob den Arm zum Zeichen, dass hier alles in Ordnung sei. War es aber nicht! Es hätte alles in Ordnung sein können, wenn der verfluchte Zoll nicht genau in diesem Moment in Sichtweite gelangt wäre!
Antonios Blick heftete sich wieder an Joanas nasse Bluse, deren Inhalt sich im Gleichklang der Schläge gegen den Bootsrumpf hob und senkte, als würde sie auf einem Pferd reiten. Dabei hielt sie den Blick starr auf den Horizont gerichtet und ihre Hände im Schoß zu Fäusten geballt. Antonio wandte sich um und sah dem Zollschiff hinterher. Der Kapitän drüben hatte durch seine Aktion gerade zwei Menschenleben gerettet und würde es nicht mal seiner Frau beim Abendessen erzählen können. Antonio biss die Zähne zusammen. Seine Chance war vertan! Es blieb ihm nichts anderes übrig, als Joana und Kilian wohlbehalten am Strand abzusetzen und weiterhin seine Rolle als braver Kellner der Cafeteria zu spielen.
Kilian zog seine Stiefel aus, als sie den geschützten Teil der Bucht erreichten und das Boot endlich nicht mehr bockte. Im ruhigen Fahrwasser tuckerten sie die letzten zweihundert Meter zum Strand. Joana zog ihre Bluse aus und formte einen Strang, aus dem sie Wasser presste. Trotz des gerade erlebten Desasters und der Tatsache, dass er beinahe ertrunken wäre, dachte Kilian nur an eine trockene Decke, die er um Joanas Schultern legen könnte, damit sie nicht fror. Ihm war bewusst, dass sie ihm eben das Leben gerettet hatte, weil sie ihr Leben für seines riskierte. Wäre sie nicht ins Wasser gesprungen, dann wäre er wohl nicht mehr durch die Aschewolke getaucht, um ihr zu helfen, sondern hätte sich seinem Schicksal ergeben. Joana aber war bereit gewesen, sich für ihn in Lebensgefahr zu begeben, und er konnte sie nach dieser Bestattungsfarce nicht einmal in eine trockene Decke wickeln. Kilian fühlte sich schuldig und mied ihren Blick.
Das Boot glitt auf den Strand, und sobald sie an Land gesprungen waren, legte Antonio ohne ein weiteres Wort ab, um sein Boot mit einer Winde in der Nachbarbucht an Land zu ziehen. Auch Antonio war stocksauer auf ihn. Kilian konnte es nachvollziehen. Schließlich hatte er Antonio und sein Boot mit seiner Schnapsidee von der Seebestattung ebenfalls in Gefahr gebracht.
Kilian blieb mit Joana alleine in der verlassenen Cala zurück. Der Strand unter seinen Füßen wankte immer noch und er musste sich setzen. Joana schlüpfte aus ihrem Rock und breitete diesen zusammen mit ihrer Bluse zum Trocknen auf einem Felsen aus. Dann legte sie sich in ihrer nassen Unterwäsche neben Kilian auf den grobkörnigen Kieselstrand, um sich von der Sonne wärmen zu lassen. Auch er entledigte sich seiner Kleidung und streckte sich bäuchlings auf dem harten, aber warmen Untergrund aus. Joana wälzte sich ebenfalls auf den Bauch, wischte sich eine Strähne von der Wange und legte ihr Gesicht so nah neben seines, dass sich ihre Nasen berührten. Sie sah ihn mit abwesenden, vom Salzwasser geröteten Augen an. Kilian musste darüber sprechen: »Hör zu, es tut mir leid, dass du …« Aber Joana legte ihm nur den Zeigefinger auf
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