Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
Carmen und die Braut umarmten sich. Es war ein gelungenes Foto und Kilian musste an den tiefen Schmerz denken, den Joana bei der Betrachtung wohl verspürte. Aber Joana war nur auf ihre Aufgabe konzentriert. »Hier sieht man es deutlich!«, hatte sie schließlich mit Genugtuung festgestellt und ihm die Lupe in die Hand gedrückt. Und tatsächlich: Die behandschuhten Finger der Braut strichen Carmens Locken aus dem Nacken, und der Anhänger, der an Carmens Ohrläppchen baumelte, sah genauso aus wie der, den Joana in Antonios Boot gefunden hatte.
Danach hatten sie im Ort ein paar Schmuckläden abgeklappert und tatsächlich boten zwei der Geschäfte ganz identische Anstecker zum Verkauf an. Joana entschied trotzdem, sich mit diesem Detail an die Guardia Civil zu wenden. Und nun lagen das Hochzeitsfoto, der Anstecker und eine Lupe auf Pacos Schreibtisch.
Der Beamte legte den Hörer auf und griff sich das Foto.
»Entschuldige bitte die Störung«, sagte Paco zu Joana und wies auf das Telefon. »Also wenn ich wiederholen darf: Ihr wart gestern mit Antonio und seinem Boot bei stürmischer See draußen, um die Asche von Xaver Huber im Meer zu verstreuen, richtig?« Er linste über den Brillenrand zu Joana, um sich diese Darstellung bestätigen zu lassen.
Joana nickte.
»Aber dann rutschte Kilian auf dem glitschigen Schiffsboden aus und fiel mit der Urne ins Wasser – und dir kam nichts Schlaueres in den Sinn, als sofort in die meterhohen Wellen nachzuspringen.« Er faltete die Hände vor seinem stattlichen Bauch und maß Joana mit vorwurfsvollem Blick.
»Joana, ich bin zwar nicht dein Vater, aber dein Vater war mein Freund, ebenso wie deine Mutter und deswegen versprich mir bitte Folgendes: Pass besser auf dich auf! Erst lässt du dich gutgläubig verschleppen, ohne vorher mit dieser verdächtigen SMS zu mir zu kommen, und auch jetzt hättet ihr beide sterben können. Es sind schon Menschen in bedeutend ruhigerer See ertrunken.«
Joana wusste, dass er es gut meinte, und sie wusste auch, dass er recht hatte. Aber es war nun mal so, dass sie Kilian geholfen hatte, weil sie ihn in Gefahr wähnte. Dabei hatte sie keinen einzigen Gedanken an ihre eigene Sicherheit oder die Gefahr verschwendet. Sie hatte es einfach getan. Und sie würde es in einer ähnlichen Situation wieder tun.
»Okay Paco, ich weiß, wir haben Glück gehabt, aber ich bin hier, um mit dir über diesen Anhänger zu sprechen, den ich auf Antonios Boot gefunden habe.«
Paco hielt sich den Anhänger vor die Nase. »Du vermutest also, es ist der deiner Schwester.«
»Ja … nein – nicht ganz, Paco. Ich habe die Anhänger in Deutschland gekauft und sie Carmen für die Hochzeitsfeier nur geliehen.«
Paco nahm die Lupe zur Hand und studierte das Foto. »Hm. Sieht so ähnlich aus wie dieser hier, da stimme ich dir zu, aber genauso sehen auch die Anhänger aus, die ich letzte Woche bei Torres gekauft habe, für meine Nichte Sandra zum Geburtstag.« Paco klopfte mit der Spitze des Kugelschreibers auf den Tisch. »Ich nehme also an, es laufen in Almuñécar viele Mädchen oder Frauen mit solchen Dingern in den Ohren herum und …«
Joana sprang aus ihrem Sessel, sodass Kilian vor Schreck zusammenzuckte. »Aber garantiert nicht Antonio , wenn er zum Fischen fährt!«
»Joana, bitte setz dich wieder, ich versteh ja …«
Joana schüttelte heftig den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher, ob du mich verstehst, Paco! Ich habe meine Mutter und meine Schwester verloren. Obendrein wurden wir von einem Psychopathen verschleppt, und hätten wir uns aus diesem stinkenden Viehstall nicht befreit, würden jetzt schon die Maden über unsere Körper kriechen! Die Guardia Civil hat in keinem der Fälle auch nur den geringsten Anhaltspunkt und jetzt liefere ich dir einen Hinweis und das Einzige, was du tust, ist Gründe zu finden, weshalb diese Spur nichts taugen sollte, so als wärst du Antonios Strafverteidiger und kein Polizist!«
Paco hob eine Hand und spreizte Daumen und Zeigefinger. »Wir haben Antonio bereits zwei Mal wegen Elena verhört, Joana. Und als deine Schwester damals verschwand ebenfalls. Glaub mir, ich versteh deinen Zorn, aber bitte, versuch auch mich zu verstehen. Ich kann nicht vom Richter verlangen, mir nur wegen eines rostigen Anhängers einen Haftbefehl ausstellen zu lassen. Selbst wenn sich beweisen ließe, dass es sich um denselben Anhänger handelt, könnte ein Strafverteidiger dieses Indiz ohne Weiteres vom Tisch wischen. Er könnte behaupten, eine
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