Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
psychischen. Ich werde für mich den gleichen Tod wählen, wie ich ihn für den Schuldigen vorgesehen hatte. Mein Brot ist vorbereitet.
Dein Vater sagte, er würde denjenigen, der seiner Tochter etwas zuleide täte, mit einer Pata-Negra-Keule erschlagen . Dazu fehlte mir die Kraft, aber ich wollte meine Rache mit einem ähnlichen Symbolgehalt durchführen. Die Ärzte haben mir eine Vielzahl an Medikamenten gegen die Schmerzen und zum Einschlafen verordnet, darunter auch Morphiumtabletten, vor denen mich der Arzt warnte, da diese in großer Dosis tödlich seien … und genau damit hat er mich auf die Idee gebracht. Die Tabletten sollten meine Schmerzen lindern, aber ich nahm keine einzige davon und ertrug den Schmerz; er war ohnehin nicht so schlimm wie das Leid um Carmen. Stattdessen habe ich die Hälfte aller gehorteten Medikamente zermahlen und damit das Brot bestäubt. Dann habe ich es mit Olivenöl beträufelt, um den Geschmack der Medizin zu überdecken und das Brot mit Schinken belegt. Mit Pata-Negra-Schinken! Anschließend brachte ich ihm das belegte Brot ins Hotel. Das war nicht weiter auffällig, weil ich meinen Kolleginnen von der Reinigung öfters mal etwas mitbrachte. Auch ihm habe ich manchmal Kuchen oder Avocados gegeben, dafür habe ich nichts für den Kaffee bezahlen müssen. Und nun weißt Du auch, Joana, wer uns Carmen nahm: Antonio aus der Cafeteria …
Kilians Füße schlugen vor Schreck gegen die Schreibtischplatte. Antonio war der letzte Tote und er wurde erschlagen. Mit einer Pata-Negra-Schinkenkeule. Langsam dämmerte ihm, worauf das Ganze hinauslief, aber er versuchte diese fürchterliche Ahnung zu verdrängen, und machte sich daran, auch noch die letzte verbleibende Seite zu übersetzen, in der Hoffnung, dass sich seine grauenvolle Befürchtung nicht bestätigte.
… Antonio bedankte sich und meinte, er würde das Brot später essen. Aber das tat er dann wohl nicht. Ich nehme an, er legte es zu den anderen Broten in die Theke und verkaufte es ohne Beleg. Du sagtest, die Polizei gehe von Selbstmord aus. Ich weiß es leider besser: Der junge Deutsche hat das Schinkenbrot gegessen und ich bin für seinen Tod verantwortlich!
Liebe Joana, nachdem ich Dir diese Dinge erklärt habe, bleibt mir nur noch eines übrig: dich um Verständnis für meinen Wunsch zu bitten, mein Leben vorzeitig zu beenden. Länger hätte ich meinen Krebs vor Dir nicht verbergen können und dieses Leid und die Schmerzen kann ich nicht weiter ertragen. Ich liebe Dich und will Dir nicht zur Last fallen. Ich möchte nicht, dass die Guardia Civil diesen Brief liest, deswegen werde ich ihn an Dein Postfach schicken. Ich möchte auch nicht, dass Du mich daheim findest, deswegen habe ich mir ein schönes Zimmer im Hotel ausgesucht. Einmal noch möchte ich den Ausblick über Almuñécar genießen und dann mein Brot essen. Für Carmen und für Dich. Ich liebe Dich. Deine Mutter
Der Brief war zu Ende. Weiter hätte er auch nicht lesen können. Kilian rutschte vom Bürostuhl und blieb auf dem Teppichboden liegen. Die Trauer traf ihn wie an dem Tag, als er von Xavers Tod erfuhr, aber sein Kummer galt auch Inmaculada, die durch das tragische Schicksal ihrer Tochter indirekt zu Xavers Mörderin geworden war. Seit den Geschehnissen von Almuñécar hatte es kaum einen Tag gegeben, an dem er nicht an Xaver und seinen mysteriösen Tod hatte denken müssen. Er wäre aber niemals darauf gekommen, dass es sich nur um ein Versehen handelte – und doch war es so gewesen, wenn man diesem Brief Glauben schenken konnte. Antonio hätte sterben sollen, nicht Xaver …
Lange blieb er so liegen, bis ihm der Gedanke von vorhin wieder in den Sinn kam und in seinem Kopf einen Zusammenhang formte, der ihn sich abrupt aufrichten ließ. Er griff sich ans Herz und spürte, wie es für einen Schlag aussetzte. Kilian befürchtete einen Infarkt, aber sein Puls raste weiter, genau wie seine Gedanken. Er wankte in die Abstellkammer, in der er eigentlich hätte malen sollen und griff sich eine Whiskeyflasche aus dem Regal. Dann trank er, bis das Brennen in seiner Kehle nicht mehr auszuhalten war, und nahm die Flasche mit an den Schreibtisch. Kilian wischte den Brief zur Seite, der nicht für ihn bestimmt war … aus gutem Grund! Er wünschte sich, er hätte ihn nie gelesen und dieses verteufelte Geheimnis ruhen lassen, denn Inmaculadas Abschiedsbrief enthüllte nur einen Teil des Geheimnisses. Es starben noch zwei weitere Personen, deren Tod mit diesem Brief
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