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Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)

Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pata Negra: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduard Freundlinger
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»Sag mir, wer du bist und verrate mir, wer der Fahrer war«, habe ich sie angefleht. Das Mädchen meinte nur, dass er jetzt nicht mehr ihr Freund sei. Den Namen aber wollte sie mir nicht verraten. Sie wollte nur, dass ich als Carmens Mutter endlich erfuhr, was damals mit Carmen geschah. Mehr könne sie nicht sagen. Sie werde auch nicht mit der Guardia Civil sprechen, sie wolle nicht ins Gefängnis, und sie hätte große Angst vor ihrem ehemaligen Freund, der ihr immer noch drohte. Wieso sie sich erst jetzt meldete, fragte ich sie und sie antwortete, dass sie ihn bis vor ein paar Tagen trotz allem noch geliebt habe. Nun aber hasse sie ihn.
    Auch ich würde es niemandem weitererzählen, versprach ich ihr und erzählte ihr von meinem Krebsleiden. In den wenigen Wochen, die mir noch blieben, wollte ich nichts weiter, als die ganze Wahrheit erfahren, dies sei sie mir schuldig, damit ich in Ruhe sterben könne, flehte ich sie an. Carmen wäre ihre Freundin gewesen, jammerte sie. Wer hat also Deine Freundin ermordet?, fragte ich sie ein drittes Mal. Danach war es lange still, bis sie mir endlich seinen Namen verriet. Dann war die Leitung tot.
    Ich weiß nicht, ob Gott mir je verzeihen kann, aber seit diesem Anruf wurde mein Innerstes immer mehr von einem Gefühl bestimmt, das ich bisher nicht kannte: Hass! Und schließlich kam ich dahinter, wer die Anruferin gewesen war. Ich beobachtete ein Mädchen, das hinter einem Reisebus einen jungen Mann küsste, und dem Gesicht des Mädchens konnte ich die Stimme aus dem Telefonat zuordnen.
    Es war Elena, die im Restaurant serviert, und sie war tatsächlich eine Freundin von Carmen. Ich konnte nachempfinden, dass es auch für sie eine Tragödie gewesen sein musste, und empfand sogar Mitleid mit diesem naiven Mädchen …
    Kilian hielt den Atem an. Elena? So hieß doch das Mädchen, das eine Woche nach Inmaculadas Tod den Abhang hinabstürzte. Er dachte darüber nach, als sein Telefon wieder klingelte. Es war Philipp, sein Geschäftspartner. Kilian drückte ihn weg und schaltete sein Handy aus.
    … Joana, ich will nur, dass Du weißt, was mit Carmen passiert ist. Und dass ich versucht habe, mich zu rächen. Aber ich bin gescheitert und trage die Last der Schuld am Tod eines Unschuldigen. Ich betete für den jungen Mann und als Zeichen meiner Reue vor Gott werde ich später im Hotel meine Bibel, in die ich schon so viele Tränen über Carmen vergossen habe, in das Zimmer legen, in dem der junge Deutsche verstarb. Soll Gott ihn beschützen und mich richten. Ich werde der Bibel auch ein Foto von Carmen beilegen, als Zeichen, dass der Tod des Deutschen ein sinnloses Opfer für sie war …
    Kilian verschwammen die Zeilen vor den Augen. Er erhob sich und trat zum Fenster. Der Straßenlärm des dichten Abendverkehrs drang gedämpft in ihre Altbauwohnung hoch. Der Himmel über München war mit dunklen Wolken verhangen und es würde jeden Moment zu schneien beginnen. So war das also damals mit der Bibel in der Reisetasche. Langsam fügte sich ein Puzzleteil ins andere. Als Reinigungskraft hatte Inmaculada Zugang zu allen Zimmern. Er erinnerte sich daran, dass sie sich bei ihm nach der Nummer des Zimmers erkundigt hatte, in dem Xaver verstorben war. Damals hatte er sich gefragt, warum sie sich dafür interessierte. Er dachte auch an das Siegel der Guardia Civil an Xavers Zimmer, von dem man annahm, Kinder aus der Etage hätten sich einen Streich erlaubt und es aufgebrochen.
    … Es hätte einen anderen treffen sollen: den Fahrer, dessen Namen ich Dir eigentlich nicht nennen sollte – jener Mann, der uns unsere Carmen nahm und uns all die Zeit einer vergeblichen Hoffnung aussetzte. Aber weil Du ebenso ein Anrecht auf die Wahrheit hast wie ich, muss ich Dir diesen Namen preisgeben und ich bete zu Gott, dass du Dich mit diesem Wissen nicht genauso ins Unglück stürzt, wie ich es getan habe. Denn nun, da mein Versuch fehlgeschlagen ist, habe ich keine Kraft mehr, es noch einmal zu versuchen. Zudem reichen die Medikamente nur noch für mich und ich will keine Minute länger mehr mit dem Bewusstsein leben, jemand Unschuldigen getötet zu haben. Der betrunkene Fahrer wird also mit seiner Schuld weiterleben müssen, während ich bald sterben werde. Als einziger Trost bleibt mir, endlich erfahren zu haben, was damals mit meiner kleinen Carmen geschah. Trauer kann man bewältigen, aber Ungewissheit nicht. Ich bin froh, dass die Schmerzen bald vorbei sein werden, sowohl die physischen als auch die

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