Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
sich. »Jedenfalls wurde die Kluft zwischen uns immer größer. Ich hatte immer öfter das Gefühl, sie würde sich für mich schämen. Wenn sie mich mitschleppte in ihre Gesellschaft – was sie allerdings meistens sorgsam vermied –, dann musste ich stillschweigen, es sei denn, ich behauptete, ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann zu sein. Und wenn ihre Freunde nachfragten, dann hatte sie mich angewiesen, zu sagen, dass ich ein Internet Start-up-Unternehmen gegründet hätte, eines, das in absehbarer Zeit einen IPO anstrebe, also public gehen würde …«
Joana winkelte ihre Ellbogen auf der Balustrade ab und stützte ihr Kinn auf die Fäuste.
»Hm, ich verstehe schon, ihr hattet also gar nichts gemeinsam.«
»Doch – wir hatten etwas Gemeinsames.«
»Und was war es?«
Kilian schlug seine Hände vors Gesicht und sprach es aus, aber Joana schien ihn nicht verstanden zu haben.
»Ein was ?«, fragte sie.
»Ein Kind.«
»Ein Kind? Du bist Vater?«
»Nein!«
»Was … nein?«
»Es ist gestorben!«
»Oh, mein Gott, das tut mir leid. Darf ich fragen … wie ?«
»Seine Mutter hat es getötet!«
27
M ohammed und Elena verließen die Hotelküche durch die Hintertür.
Der marokkanische Küchenjunge und sie waren die letzten Hotelangestellten, die um kurz nach zwölf Uhr abends in den Hinterhof hinaustraten. Mohammed verabschiedete sich und tuckerte mit seinem Moped nach Almuñécar, während sich Elena auf den Weg zum Treffpunkt machte.
Der Platz zwischen dem Hotel und der Personalunterkunft lag verlassen da. Elena bog um die Ecke und zögerte, als sie ein Geräusch hörte. War er schon da?
Sie wandte sich um, aber außer ein paar Katzen, die um den Müllbehälter mit den Essensabfällen streunten, war nichts zu sehen.
Sie zog eine Packung Zigaretten aus ihrer Kellnerschürze und ging auf den Abhang zu, der auf der Südostseite des Hotels beinahe senkrecht nach Almuñécar abfiel. Nach wenigen Metern war die Pflasterung zu Ende und sie tippelte vorsichtig durch niedriges Gestrüpp, vorbei an einigen Olivenbäumen bis zu ihrem Lieblingsplatz: ein Felsen mit spiegelglatter Oberfläche. Hier hatte sie schon viele Stunden lang gesessen und auf die Lichter von Almuñécar hinabgeblickt. Viele Male auch mit ihm. Zuletzt aber immer seltener. Elena musterte den Felsen. Der Stein war eine Art Fundament ihrer Liebe. Hier hatten sie gekifft und danach befriedigte sie ihn mit dem Mund. War sie ohne ihn hier, dann dachte sie an nichts anderes als an ihn.
Sie setzte sich auf den Felsen und zündete sich eine Zigarette an.
Ihr Blick schweifte über das im Mondlicht glitzernde Meer. Sie konnte es einfach nicht mehr ertragen. Am Anfang war es anders gewesen: nichts als naive Liebe, sie wollte ihn schützen. Sie hätte das nicht tun sollen, tat es aber trotzdem aus purem Eigensinn.
Sie schwieg … ihm zuliebe.
Aber die Last, mit der sie das Geheimnis beschwerte, wurde im Laufe der Zeit immer stärker – und nicht schwächer, wie sie gehofft hatte. Außerdem war ihre Liebe irgendwie verschwunden, oder war sie nur nicht mehr so einfältig wie noch vor zwei Jahren?
Sie sah auf die Uhr. Er war schon zehn Minuten zu spät. Aber bestimmt würde er noch kommen.
Sie ertappte sich dabei, wie sie unruhig an ihrem Daumennagel kaute. Sie dachte an das Telefonat zurück, dass sie vor vier Tagen mit ihm geführt hatte. Es war dumm gewesen, ihm damit zu drohen, zur Guardia Civil zu gehen. Sie hätte ihn auch nicht beschuldigen dürfen! Natürlich glaubte sie nicht ernsthaft, dass er Inmaculada ermordet hatte. Sie wollte ihn einfach nur verletzen, so wie er sie immer verletzte mit seiner permanenten Untreue. Aber mit ihrer Drohung hatte sie bestimmt viel kaputt gemacht. Vielleicht hätte es ohne diesen Anruf doch noch eine Chance für sie beide gegeben. Falls ja, dann hatte sie diese Chance zunichte gemacht.
Elena seufzte und zündete sich eine zweite Zigarette an.
Am Ende des Telefonats war er wieder so freundlich und nett zu ihr gewesen, fast so wie am Anfang ihrer Beziehung. Vielleicht sah er ja ein, dass sie eigentlich recht hatte. Vielleicht konnte er mit dem Wissen um die Tat ebenso wenig weiterleben wie sie.
Der Gedanke gab ihr Hoffnung, sicher würde am Ende doch noch alles gut werden.
Aber in ihrer Wut hatte sie sogar erwähnt, dass sie mit Inmaculada gesprochen hatte. Das war nicht klug gewesen. Es hatte ihn rasend gemacht, gerade weil sie ihm ja bisher immer wieder hatte versprechen müssen, mit niemandem
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