Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
gehabt, dann wäre ich wohl Mechaniker geworden und nicht Priester.«
Kilian verschränkte die Hände hinter dem Kopf und blickte zu den Sternen hoch. »Jedoch … ach, vergiss es!«
»Jedoch was?«, hakte Joana nach.
»Ach, ist nicht weiter wichtig. Während des Seminars, in dieser geregelten Gemeinschaft, da ging es mir gut. Aber von dem Zeitpunkt an, da ich die Gemeinschaft verlassen musste, ging es nur noch bergab. Ich verlor meinen Halt. Total. Und meine Psychologin hat mir immer wieder geraten, dorthin zurückzukehren, wo ich mich wohlfühlte: zur Kirche!«
»Aber die haben dich doch rausgeschmissen«, wandte Joana ein.
»Ja, das haben sie. Trotzdem folgte ich während einer starken Phase der Depression dem Rat der Psychologin und stellte einen Antrag auf Wiederaufnahme in das Priesterseminar. Darin erklärte ich ihnen zum ersten Mal meine Version der damaligen Geschichte. Aber seitdem sind ein paar Wochen vergangen und ich habe noch nicht einmal eine Antwort erhalten.«
Joana wandte sich ihm zu. Entschlossenheit lag in ihrer Miene. »Sei froh!«
»Findest du? Egal, ich möchte nicht mehr weiter darüber reden, überhaupt will ich dich nicht länger langweilen; ich bin es ohnehin nicht gewohnt, viel davon zu erzählen. So habe ich ja nicht mal mit … ach was, ist ja egal.«
»Mit wem hast du so nicht gesprochen, mit Xaver?«, hakte Joana nach.
Kilian schüttelte den Kopf. »Mit meiner Frau, meiner Exfrau.«
Joana nahm die Füße von der Balustrade und setzte sich aufrecht in ihren Terrassenstuhl. »Du warst verheiratet?«
»Ja. Aber nur ein Jahr lang.«
»Wie hieß sie?«
»Cornelia – Conny.«
»Und was ist geschehen?«
»Eine lange Geschichte. Wir passten einfach nicht zueinander. Ich war ja mittlerweile achtundzwanzig und hatte bis dahin noch nie eine Beziehung gehabt. Sie mochte mich anfangs, weil ich sie anbetete. Conny hatte schon mehrere Beziehungen hinter sich, aber keine besonders glücklichen. Aber keiner hat sie so ›vergöttert‹ wie ich, um bei der Sprache der Bibel zu bleiben. Ich tat alles für sie und dafür mochte sie mich und dafür sagte sie ›Ja‹, als ich sie fragte, ob sie mich heiraten würde. Später meinte sie, dieses Ja-Wort sei der größte Fehler ihres Lebens gewesen.«
Joana wickelte eine Locke um ihren Zeigefinger. »Aber warum denn? Du warst doch gut zu ihr.«
»Ja, das war ich schon, aber das war vielleicht nicht unbedingt das, was sie wirklich wollte. Ich glaube, sie wäre an der Seite eines knallharten Machos besser aufgehoben gewesen. Jedenfalls versuchte sie, mich nach ihren Wünschen zu verändern. Sie schickte mich zu einem Münchner Starfriseur, in schicke Modeläden und dreimal die Woche ins Fitnesscenter. Das war auch die Zeit, in der ich mit dem Sohn unseres Vermieters einen Internetladen aufmachte. Ich war ziemlich glücklich, denn wer macht schon Geschäfte mit einem vorbestraften Priester, der keine Ahnung von Wirtschaft hat? Die kleine Firma lief immerhin so gut, dass ich davon leben konnte, wenn man einen bescheidenen Lebensstandard hat, aber für Cornelia reichte das nicht.
Sie machte Karriere in einem Münchner Immobilienbüro, das sich auf protzige Villen spezialisierte. Erst war sie nur Sekretärin, aber dann ging eine der beiden Verkäuferinnen in Mutterschutz und sie bekam ihre Chance. In einem halben Jahr verkaufte sie neun Villen in besten Münchner Lagen, darunter eine am Starnberger See an einen Fußballer des FC Bayern. Conny war provisionsbeteiligt und verdiente viel Geld. Durch ihre Kunden und ihren Chef, der sie ob dieses Erfolgs zur Verkaufsleiterin beförderte, wurde sie in die Bussi-Bussi-Gesellschaft hineingezogen. Ähm, Bussi-Bussi – so nennt man die Leute in München, die in den Klatschspalten auftauchen. Und ich passte nicht dazu, ich war ja nur ein ›Internet-Trödler‹, wie sie es ausdrückte.
Conny fing wegen ihres Business an, auf Veranstaltungen zu gehen, die von Promis frequentiert wurden. Dort lernt man halt die wichtigen Kunden kennen, meinte sie. Auf dem Oktoberfest saß sie im Käferzelt und am Wochenende ging es ins P1, das ist eine angesagte Disko, und sie war stolz darauf, von den Türstehern vorbeigewunken zu werden. ›Das wird nicht jeder‹, hat sie mir versichert, so als ob das der Beweis wäre, dass sie es nun wirklich ›geschafft‹ hätte. Jedenfalls …« Kilian erhob sich, streckte seinen Rücken und lehnte sich über die Balustrade.
Joana stellte sich neben ihn und ihre Oberarme berührten
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