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Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)

Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pata Negra: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduard Freundlinger
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…«
    »Aber das ist doch etwas anderes, sie wäre sowieso gestorben, ich verstehe nicht, wieso du dafür …«
    Kilian schüttelte den Kopf.
    »Es war Sterbehilfe, Joana! Und das ist in Deutschland verboten. Ich habe dann den Arzt angerufen und ihm alles erzählt. Ja, und ich habe auch zugegeben, dass ich nachgeholfen habe. Wenig später kamen dann ein fremder Arzt, ein Leichenwagen und die Polizei. Ich musste eine Aussage machen und blieb als Priesteranwärter, der es nicht gewohnt war zu lügen, beim achten Gebot: ›Du sollst kein falsches Zeugnis von dir geben wider deinen Nächsten.‹ Aber diese Wahrheit veränderte mein Leben und mit einer kleinen Lüge wäre damals alles anders gekommen.«
    Joana nahm ihren Arm von seiner Schulter, griff nach der Bierflasche in Kilians Hand und trank einen Schluck.
    »Ich habe der Polizei gegenüber eine Aussage gemacht … ohne Anwalt«, fuhr er fort. »Ein Priester wird von Gott gerichtet und braucht keinen Rechtsbeistand, habe ich damals zumindest gedacht. Heute bin ich schlauer, denn das Gesetzbuch ist wesentlich komplizierter als die Zehn Gebote. Es unterscheidet zwischen passiver und aktiver Sterbehilfe. Die passive Sterbehilfe, etwa einen Schwerstkranken nicht weiter zu versorgen oder auch die Hilfe zur Selbsttötung, ist straffrei. Zum Beispiel: Wenn ich meiner Mutter den Tee mit den Medikamenten und dem Morphium bereitgestellt und sie das Glas selbst zum Mund geführt hätte – und den Tod damit aus eigenem Antrieb verursacht hätte –, dann wäre es zu keiner Anklage gekommen. Aber ich habe aktive Sterbehilfe geleistet. Ich habe ihr die Tasse an den Mund geführt, sie selbst war dafür schon zu schwach. Und dieser kleine Unterschied bedeutete vor dem Richter bis zu fünf Jahre Haft.«
    » Fünf Jahre ?«
    »Ja, maximal, aber so hohe Strafen werden in der Regel nicht verhängt. Doch das Gerichtsverfahren mit Staatsanwalt, Verteidiger, Richter und Zeugenaussagen war für mich, der sich bis dato noch nie etwas zuschulden hattte kommen lassen, schon schlimm genug. Und das Verfahren lief denkbar schlecht. Der Staatsanwalt, ein strikter Gegner solcher Praktiken, war um einiges versierter und wohl auch interessierter an der Sache als mein Pflichtverteidiger. Die Magd, die ich eingestellt hatte und die es mir übel nahm, dass ich sie nach zwei Wochen wieder rausschmiss, behauptete vor Gericht, meine Mutter wäre gar nicht so krank gewesen – ich hätte sie nur nicht weiter pflegen wollen. Außerdem hat der Krankenhausarzt, der meine Mutter anfangs behandelte, ausgesagt, dass sie mit rechtzeitiger Chemotherapie durchaus noch Chancen auf Heilung gehabt hätte. Aber es wurde nirgends erwähnt, dass sie sich weigerte, diese Chemotherapie anzuwenden! Der andere Arzt, der das hätte bezeugen können und der mir damals versicherte, dass meine Mutter nur noch kurze Zeit zu leben hätte – mit oder ohne Chemotherapie –, wurde gar nicht erst vorgeladen. Und im Dorf ging das Gerücht um, ich hätte meine Mutter umgebracht, um endlich an das Erbe zu kommen, auch wenn das Erbe nur aus einem Bauernhof bestand, der kaum wirtschaftlich arbeitete und zudem mit Schulden belastet war. Jedenfalls gewann der Staatsanwalt den Prozess und ich habe dabei noch Glück gehabt. Der Staatsanwalt forderte zwei Jahre Haft und ich wurde vom Richter zu nur acht Monaten verurteilt. Vier Monate war ich tatsächlich im Gefängnis und der Rest wurde zur Bewährung ausgesetzt …«
    Kilian trank sein Bier aus und schüttelte den Kopf. »Dann begann mein Leben von vorne. Ich wollte nicht mehr zurück an diesen Ort, an dem mich alle für einen Mörder hielten. Mein Bruder hatte in der Zwischenzeit das ganze Vieh verkauft und den Acker und das Weideland an den Nachbarhof verpachtet. Der Bauernhof wurde als Immobilie für ein Kleingeld an ein Ehepaar vermietet, das dann spirituelle Seminare anbot.«
    »Und was war mit deiner Karriere bei der katholischen Kirche?« Kilian schlug die Beine übereinander und fuhr mit dem Daumen über den Flaschenhals. »Mit der war es vorbei. Ich saß im Gefängnis, war vorbestraft und wurde aus dem Priesterseminar verwiesen. Die wollten dort, dass man Gott diente, aber spielen durfte man ihn nicht. Anfangs war das Ganze für mich sogar befreiend, schließlich hatte ich die ganze Zeit über Zweifel, ob ich den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Wer weiß, wäre mein Vater ein anderer Mensch gewesen – liebevoller, fürsorgender –, hätte er zum Beispiel eine Autowerkstatt

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