Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
nun auch nicht mehr an. Aber Joana hatte ja nur gesehen, wie er aus dem Hotel kam und nicht, dass er es gerade eine Minute zuvor betreten hatte. Später in der Kneipe nach ein paar Drinks beruhigte er sich. Vielleicht war dieses Zusammentreffen mit Joana sogar ganz positiv für ihn, weil sie ihm dadurch gewissermaßen ein Alibi gab. Wie dem auch sei, er musste nur stur bei seiner Version bleiben, dann konnte ihm nichts passieren …
Er stieg aus dem verqualmten Auto. Schon um einiges selbstbewusster schritt er durch die Lobby, winkte Belen und Maite an der Rezeption zu und ging zurück an die Arbeit.
»Was hältst du von dem Ganzen?«, fragte Maite die schluchzende Belen.
Aber Belen, die sensible Buchungssekretärin, stand immer noch unter Schock, seit sie heute Morgen von Elenas Tod erfahren hatte. »Ich weiß es nicht Maite. Ich will da jetzt auch nicht weiter drüber sprechen.« Belen hatte kein besonders gutes Verhältnis zu Maite, besonders seitdem sie ihr vorgeworfen hatte, für den Posten einer Empfangsdame zu flittchenhaft zu sein. Und außerdem: Belen wollte im Moment einfach nur heulen und sich verkriechen, denn sie hatte schreckliche Angst.
»Du willst nicht darüber reden?«, wiederholte Maite und zog den Satz wie einen Kaugummi. »Hier sterben die Leute weg, als wäre das ein Atomreaktor mit einem Leck, so groß wie ein Scheunentor – und du willst es einfach nur totschweigen?«
»Maite, bitte …«
»Glaubst du, Alfonso, der Masseur, ist der Killer? Wenn man ihn mal genauer betrachtet, sieht er Hannibal Lecter doch ziemlich ähnlich oder etwa nicht?«
Belen seufzte und ließ diese Bemerkung ihrer durchgeknallten Kollegin besser unkommentiert, vor allem, weil es sich bei Alfonso um ihren Cousin handelte. Belen schüttelte den Kopf. Nicht einmal angesichts dieser Tragödie konnte die verrückte Maite ihren komischen Humor im Zaum halten. »Wo ist eigentlich Joana?«, fragte sie, um vom Thema abzulenken.
»Bei der Befragung der Guardia Civil. Stell dir vor: Sie hat gestern Nacht einen grässlichen Schrei gehört. Sie ist sich zwar nicht ganz sicher, glaubt aber, es könnte Elenas Schrei gewesen sein, du weißt schon, als Elena dort den Abhang hinunterstürzte … oder wahrscheinlicher: hinunter gestoßen wurde.«
Belen wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. Sie war hier in einem ruhigen Hotel in einer friedlichen Gegend angestellt, um einfache Büroarbeit zu verrichten, und plötzlich, ja plötzlich fand sie sich inmitten eines dieser Thriller wieder. Thriller las sie zwar recht gerne, aber … Bücher zu lesen oder doch selbst mitten in einer so üblen Geschichte zu stecken, das waren zwei gänzlich verschiedene Dinge. Belen grauste bei dem Gedanken, dass sie zu den nächsten Opfern des wahnsinnigen Serienkillers zählen könnte – was sie sich durchaus vorzustellen vermochte.
Maite tat weiterhin auch nicht gerade ihr Bestes, um sie zu beruhigen: »Ich renn hier jedenfalls nur noch mit Pfefferspray durch die Gegend, das kann ich dir sagen. Hast du übrigens auch eins?«
»Ein was? Du meine Güte, nein!«, sagte Belen, die sich seit zwei Monaten über ihr erstes Enkelkind freuen durfte.
Maite nickte und brauchte nicht lange, um eine Lösung für Belens Selbstverteidigungsprobleme zu präsentieren: »Ein Tritt in die Eier hat oft die gleichen Auswirkungen! Aber zielsicherer als ein Tritt mit spitzen Schuhen ist das hier …«
Sie stellte sich vor die schniefende Belen. »Vor dem ersten Verdächtigen, der sich dir in den Weg stellt, wirfst du dich auf die Knie und zwar in etwa so« Sie machte einen Karate-Ausfallschritt in Richtung Belen, die nur mit dem Kopf schüttelte. »Dann machst du eine Faust und schlägst genau zwischen … nun, wo die Dinger hängen, weißt du ja wohl selber«, erklärte Maite und stoppte ihre Faust nur Zentimeter vor Belens Unterleib. Belen aber blickte nicht auf den perfekten Angriffspunkt, sondern in das Gesicht von Carlos, dem Hoteldirektor, der sich hinter Maite räusperte.
29
E r überlegte gerade, ob er sich nicht doch hier im Hotel eine Zigarette anzünden sollte, als die Tür aufgeschlagen wurde. Obwohl er in den letzten Minuten quasi jeden Moment mit dem Erscheinen der Guardia Civil gerechnet hatte, zuckte er nun bei dem Anblick der zwei Uniformierten zusammen. Er konnte nur hoffen, dass die beiden seinen Schreck nicht bemerkt hatten. Mit ernsten Mienen unter ihren grünen Schirmkappen traten sie ihm entgegen und forderten ihn ohne ein Wort der
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