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Patentöchter

Patentöchter

Titel: Patentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Albrecht & Corinna Ponto
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entspannt, und man konnte gemeinsam die Zeit genießen. Meine Rolle war eigentlich immer eine beobachtende. Ich liebte es, wenn Susanne da war. Ich erinnere mich besonders an ihr Aussehen. Ich liebte ihre dunklen Haare, ihre unglaubliche Größe und ihre Dürrheit. Ich fand die Mischung all ihrer körperlichen Attribute verführerisch perfekt, ihr Aussehen und ihre ganze Art. Sie war gleichzeitig tapsig wie ein Bär und lässig wie eine Giraffe. Sie hatte etwas von einem nervigen Nasenbär und einer Respekt einflößenden Löwenlady. Das Einzige, was ich als 13-Jährige an Susanne nicht mochte, war, dass sie so wenig Zeit mit mir verbrachte.
    Meine Mutter stammte aus einer Offiziersfamilie, in der die alten preußischen Tugenden hochgehalten wurden. Ihr Vater war bis zum Ende des verlorenen Ersten Weltkriegs Offizier; danach startete er eine zivile Karriere und war später Leiter eines Arbeitsamts. Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit waren wichtige Elemente ihrer Erziehung gewesen, die sie, leicht abgeschwächt, auch an uns Kinder weitergab. Während des Krieges war sie gemeinsam mit ihrer älteren Schwester und ihrer Mutter am Lützowplatz in unmittelbarer Nähe zum Tiergarten, in Berlin ausgebombt worden. Ihre Kriegserfahrungen waren geprägt von Angst und Sorge, vor allem um ihre Mutter, von der sie zeitweilig getrennt war, auch von Hunger. Ihr Großvater mütterlicherseits war – im Sinne der Nazis – Jude, was sie als 11-Jährige hinter vorgehaltener Hand von einem Cousin erfuhr, und sie wurde groß mit dem Gefühl, etwas Wesentliches stets verheimlichen zu müssen.
    Nach dem Krieg, 19-jährig, landete meine Mutter in Hamburg und fasste dort, auch mithilfe meines Vaters, den sie schon als Jugendliche in Berlin kennengelernt hatte, Fuß. Noch während des Krieges hatte sie in Berlin eine Ausbildung zur Bibliothekarin abgeschlossen und arbeitete in Hamburg zunächst an der Universitätsbibliothek, später studierte sie Orientalistik und lernte Hebräisch und Arabisch.
    Unser Vater stammte aus einer Hamburger Juristenfamilie. Sein Vater, Groß- und Urgroßvater waren Juristen in Hamburg gewesen, und so war es vielleicht selbstverständlich für ihn, ebenfalls Jura zu studieren. Während des Krieges war sein einziger Bruder 1942 vor Leningrad gefallen. Er selbst wurde 1944 als sogenannter Vierteljude aus der Wehrmacht entlassen, denn sein Großvater väterlicherseits war – obwohl bereits in der dritten Generation getauft – im Sinne der Nazis Jude, und sein Vater, mein Großvater, musste als sogenannter Halbjude Schutt und Leichen in Hamburg beiseiteschaffen.
    1949 heirateten meine Eltern. Schnell nacheinander wurden meine Schwestern geboren. Während mein Vater an einem der beiden Schreibtische seine Doktorarbeit schrieb, wickelte meine Mutter auf ihrem Schreibtisch die Babys.
    Meine Eltern haben immer wieder davon erzählt, wie herrlich der Neubeginn nach dem Krieg war, mit wie viel Hoffnung diese Zeit verbunden war. Mit ihrer Generation teilten sie die fröhliche Ausgelassenheit dieses Neubeginns und die innige Hoffnung: nie wieder Krieg! Als 1955 die Bundeswehr gegründet wurde, versprachen sie einander, dafür zu sorgen, dass keines ihrer Kinder jemals zum Militär gehen würde.
    Mein Vater engagierte sich gleich nach Kriegsende im »Zentralausschuss Hamburger Studenten« für den Wiederaufbau der Uni und wurde 1946 als einziger Student in die erste – ernannte – Hamburger Bürgerschaft entsandt. Noch im selben Jahr, im Oktober 1946, zog er für die CDU in die erste frei gewählte Bürgerschaft ein. Viele seiner Freundschaften stammen aus den Jahren dieses gemeinsamen glücklichen Aufbruchs. Auch die zu Jürgen Ponto. Kennengelernt hatten sie sich am juristischen Seminar in Hamburg.
    Die Familie von Jürgen wohnte in der Magdalenenstraße,die meines Vaters in der Heilwigstraße – nachbarschaftliche Nähe in der Innenstadt. Die Männer verband mehr als der Zeitgeist der Nachkriegsjahre. Beide studierten Jura. Beide interessierten sich für den Wiederaufbau der Universität, für Politik. Beide konnten gut reden und reimten gerne für Anlässe aller Art. Äußerlich hätten die beiden Männer unterschiedlicher nicht sein können. Jürgen groß und eindrucksvoll in seinem Auftreten. Mein Vater klein, drahtig, mit immer freundlichem Gesichtsausdruck.
    Über 30 Jahre lang waren wir befreundet. Wir haben in unseren allerbesten Jahren viel miteinander erlebt. Wir haben geheiratet, und unsere

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