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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
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anfing. Er arrangierte mehrere zufällige Begegnungen und drängte sie schließlich, sich bei seiner Anwaltskammer zu bewerben. Elizabeth hat es nie erfahren.«
    Eine Ahnung befiel Anselm wie eine Hitzewallung: »Sie haben Elizabeth nicht in Carlisle kennen gelernt, stimmt’s? Sie haben Sie hier in Camberwell getroffen … Das ist das Heim, in dem Sie gearbeitet haben … bevor die Architekten die Flure einzogen …«
    Schwester Dorothy schaute hoch über die Klostermauern, als ob sie Gebirgszüge, Gipfel und Schnee sehen könnte.
    »Schieben Sie mich bitte nach drinnen und erzählen Sie mir von dem Schlüssel«, sagte sie.
    Wie so oft im November war die Dunkelheit schnell und diebisch schleichend hereingebrochen.

15
    ALS RILEY NACH Hornchurch Marshes kam, wurde es bereits dämmerig. Vorsichtig trottete er den abschüssigen Pfad zu den Four Lodges hinunter. Vor Jahren hatte man hier einen Kühlturm abgerissen, übrig geblieben waren nur diese vier rechteckigen Wasserbecken. Die Stadt hatte ein paar Fische ausgesetzt und sie sich selbst überlassen.
    An der Stelle, an der der Turm gestanden hatte, schaute Riley sich suchend im Gras um. Fluchend und wimmernd trat er ein paar Steine und ein schwarz angelaufenes Kantholz los, aus dem Nägel herausragten. Dann setzte er sich auf einen Mauerrest, schlang die Arme um die Brust und starrte auf den Weg. Er war in Hochstimmung, schwindelig beobachtete er sein eigenes Treiben, das ihm vorauseilte wie damals bei John Bradshaw. Neben seinen Füßen lagen die Waffen und eine Taschenlampe.
    Es war das dritte Mal, dass Riley herkam. Das letzte Mal war nach dem Prozess, davor war er zuletzt als Junge hier gewesen.
     
    Eines Morgens ganz früh hatte der Mann, den Riley nicht Dad nennen wollte, das letzte Kätzchen in einen Sack gesteckt. Die anderen acht hatten ein gutes Zuhause gefunden.
    »Zieh deinen Mantel an, Graham«, hatte er gesagt. Es roch nach Aftershave – aufdringlich und scharf.
    Wortlos gingen sie durch die leeren Straßen von Dagenham auf das fahle Licht über Hornchurch Marshes zu. Bald lagen die Themseniederungen vor ihnen wie eine feuchte Decke, und mitten drin glänzten die vier Wasserbecken mit ihrem Rand aus rutschigen Backsteinmauern.
    Sie stellten sich an den Rand, und Walters Arm holte aus. Seine Brust schwoll, und um seinen Mund trat ein entschlossener Zug. Der Gedanke an unerwünschtes Leben machte Riley krank, er klammerte sich an den Ärmel des hünenhaften Mannes, aber eine Rückhand schleuderte ihn weg. Als das Wasser spritzte, lag er auf Händen und Knien und hatte Blut an den Lippen. Der Sack drehte sich im Wasser und ging unter. Gebannt schaute Riley zu. Er hatte einen Schrei erwartet, aber es war kein Laut zu hören, rein gar nichts. Nachdem die Wellen sich gelegt hatten, war an der Oberfläche nichts mehr zu sehen außer der Farbe des heller werdenden Himmels.
    Am selben Abend kamen sie wieder an die Four Lodges. Mücken umgaben die Angler wie Helme. Sie saßen auf Kästen und Schemeln und hatten Maden auf der Unterlippe. So machte man das: Man wärmte sie im Mund an. Sobald die Made ins kalte Wasser kam, wand sie sich und lockte Flussbarsche und Karpfen an. Walter verwahrte seinen Vorrat in einer alten Tabakdose.
    »Na los, Graham«, sagte er abwesend.
    Riley wollte es Walter recht machen und tat, was er von ihm verlangte. Walter schaute zu, während die Mücken um seinen Kopf schwärmten. Riley starrte in seine gequälten Augen: Eigentlich wollte der Hüne nicht so sein, aber er konnte nicht anders. Aber in diesem Augenblick schrumpfte sein Verständnis in sich zusammen. Das konnte einfach nicht richtig sein … dieses Ding zwischen seinen Lippen zucken zu spüren. Es schmeckte nach Verwesung.
    Riley machte sich nicht die Mühe zu fragen, warum der Mann, den er nicht Dad nennten wollte, sich so benahm – er wusste die Antwort: Walter hatte ein eigenes Kind. Riley war ihm im Weg. Der Hüne hatte seinen Job und seine Selbstachtung verloren. Er wollte ein anderes Leben als das, was er führte. Diese riesigen Lungen platzten förmlich vor Gejammer. Die Hosenträger waren nicht stark genug, es zurückzuhalten. Als Riley am Abend nach diesen beiden Ausflügen an die Four Lodges wach lag, trübten solche Gedanken seine Ruhe nicht einmal oberflächlich; nein, was Riley wesentlich stärker beunruhigte, war die sinnlose Parade des Todes: an einem einzigen Tag hatte er einen Fisch gesehen, der aus dem Wasser geholt wurde, und eine Katze, die

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