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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
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wieder erwähnen würdest.«
    Das Lachen war verschwunden, Charles Miene war verbissen, seine Lippen geschürzt. Er schob seinen Teller ein Stück von sich.
    »Gibt es ihn wirklich … diesen Buhmann?«, fragte Nick fassungslos.
    »Dieses Gespräch ist beendet.« Charles hatte jene bleiche, hilflose Miene, die in der Bank alle zum Wahnsinn getrieben haben musste, wenn Erklärungen gefordert waren. Er sagte: »Das brauchst du nicht zu wissen. Deine Mutter ist tot. Es ist vorbei.«
    Beide saßen reglos mit den Händen im Schoß da und starrten angespannt auf den halb gegessenen Fisch. Das nennt man wohl einen Augenblick der Wahrheit, dachte Nick. Er hatte geglaubt, sein Vater habe nichts von der Krise seiner Frau gewusst; aber mit dieser altmodischen Abfuhr hatte er zu erkennen gegeben, dass er alles wusste, immer schon gewusst hatte und seinem Sohn jegliche Erklärung vorenthalten hatte. Er hatte zugesehen, wie Nick in dem gelben Beetle herumkutschierte; er hatte an Türen und Fenstern gestanden, registriert, dass ein elterliches Geheimnis gelüftet wurde, und er hatte absolut nichts gesagt – nie, außer eine Reise nach Australien … und nach Papua-Neuguinea zu empfehlen.
    Wut, Liebe und Angst packten Nick: Wut über die Mätzchen seiner Eltern, Zuneigung wegen ihrer behütenden Sorge und zugleich eine gewisse Angst vor dem, was sie zu diesem Verhalten getrieben haben mochte. Seine Mutter hatte ihn nach Hause holen und ihm alles sagen wollen; sein Vater war damit nicht einverstanden gewesen: Er hatte Angst davor gehabt. »Die Bundi haben einen Schmetterlingstanz«, hatte er gesagt.
    Und Charles hatte immer noch Angst. Aber wovor? Und vor wem? Und warum?
    Nick legte seine Serviette zusammen und ging hinauf ins Grüne Zimmer. Hier hatte sie alles geplant, und hier sollte es enden – für ihn und für seinen Vater. Der einzige Mensch, der wusste, worum es eigentlich ging, war ein kleiner Gauner, dessen Machenschaften Elizabeth’ Selbstachtung zerstört hatten.
    Nick zog den orangefarbenen Handzettel aus der Tasche. Der Wein machte ihn unbedacht, das war ihm bewusst, aber er schärfte auch seinen Blick. Die Farben waren klarer als sonst, genau wie sein Scharfblick; alles schwankte – wie seine Entschlossenheit.
    Er wählte die Nummer und horchte.
    Er war ein Dummkopf. Er hatte die eigentliche Krise nicht erkannt, obwohl er den Schlüssel gefunden und das Schließfach geöffnet hatte. Das »Nichtwissen und Sich-nicht-darum-kümmern-Dürfen«, das (angewandte) Locard-Prinzip, die »Verantwortung ohne Schuld« – das war alles gut und schön, deutete aber lediglich auf ein ungewöhnlich empfindliches Gewissen hin. Aber in dem Schließfach hatte sich von Anfang an noch etwas anderes befunden.
    Ein Anrufbeantworter schaltete sich ein. Nick drückte die Trenntaste und wählte noch einmal. Er wartete, wurde nervös.
    Eigentlich war Nick schon lange auf die entscheidende Frage gestoßen, damals, in einem schäbigen Pub nicht weit von Cheapside. Er hatte sie ignoriert, weil er die Vorstellung beiseite schieben wollte, dass Elizabeth’ Mitleid ein nützlicher Pluspunkt für den Mandanten war, ein Bonus auf die Anwaltsgebühren. Aber nun wollte er wissen, was tatsächlich passiert war, als seine Mutter aufgestanden war, um Rileys bedauernswertes Opfer ins Kreuzverhör zu nehmen. Für Anji, die den Mut hatte, in den Zeugenstand zu treten, war der Pieman etwas Beängstigendes gewesen, eine Realität, die Mr. Wyecliffe noch zehn Jahre später faszinierte. Und was hatte Elizabeth gemacht? Geschickt – und mitfühlend – hatte sie den Pieman in ein Fantasiegebilde aus Anjis gemartertem Hirn verwandelt; sie hatte ihn wegerklärt, zu einem Traum gemacht …
    Am anderen Ende der Leitung nahm jemand ab.
    Es musste am Wein liegen, dass Nick vor der Stimme zurückschreckte, aber sie war gespenstisch hart. Er stellte sich seinen Vater vor, der vor einer halb gegessenen Schleie saß … Unten war es sicher … dort wartete noch eine halbe Flasche Mâcon Lugny … aber er wollte die Antwort auf seine Frage erfahren.
    »Wer war der Pieman?«
    Nick musste es fragen, weil er dunkel ahnte, dass seine Mutter es die ganze Zeit gewusst hatte, schon als sie Anji an der Hand nahm; dass er die geheime Triebfeder für Elizabeth’ Schmach gefunden hatte.
    Zwanzig Minuten später saß Nick am Steuer und raste viel zu schnell Richtung Osten nach Hornchurch Marshes. Er hatte mit einem unwilligen Gesprächspartner gerechnet, nicht mit einer

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