Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten
an seinem Rucksack.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Nancy, als ob sie sich Sorgen um seine Gesundheit machte.
»Ja, alles bestens.«
Vorsichtig legte sie drei Ziegelsteine auf die anderen.
»Warte mal«, keuchte er. »Ich bin doch nicht …« Stallone, Mad Max, Bruce: Die Hamsternamen überschlugen sich zu einem pelzigen Haufen, aber ein Name schoss ihm plötzlich in den Kopf: »… Mr. Universum.«
Riley beugte sich vor und ging schneller, als ob er vor der Erinnerung an Arnold fliehen wollte. Am Lagerfeuer schwangen eine Gruppe Jugendlicher brennende Äste. Sie tanzten und johlten. An der Uferböschung lag ein schwelender Autoreifen. Mittlerweile war es fast dunkel. Der Weg wurde schmaler. Nancy blieb zurück und ließ Riley vorgehen. Er schaute in das trübe, glatte Wasser neben sich. Wie ertappt dachte er mit einem Mal: Wieso muss ich immer wieder daran denken, was der Major gesagt hat? Wieso kann ich die Hoffnungen und die kranke Zuversicht eines alten Soldaten nicht einfach vergessen?
»Ich frage mich, was mit Arnold passiert ist«, sagte Nancy leise.
»Weiß der Himmel.«
Es entstand eine lange, vernichtende Pause. Dann hörte Riley Nancys Füße im Gras wie einen Sichelschwung. Verbittert und vorwurfsvoll dachte er: Sein Weg von Paddington bis hierher an den Kanal hatte eine Menge mit John Bradshaw zu tun, denn sein Tod hatte Spuren in seiner Seele hinterlassen. Aber wer erntete die Lorbeeren? Der Major? Nein, die Ehre räumte er einem Hamster ein. Selbst in meiner Bekehrung, wenn es denn eine ist, bin ich noch niederträchtig.
»Das ist alles«, sagte sie resigniert und packte nacheinander vier Ziegelsteine in den Rucksack.
»Zum Teufel, Nancy«, keuchte er, »was machst du da eigentlich?« Er befestigte den Brustgurt, der die Schulterriemen verband. Nach ein paar Schritten sah er an einer Mauer einen Mann kauern … der ihn beobachtete. Riley drehte sich Hilfe suchend zu Nancy um. »Tut mir leid, das sind zu viele«, flüsterte er mit echtem Bedauern. »Das kann ich nicht alles tragen.«
»Ich auch nicht.«
»Was?«
Riley konnte ihr Gesicht nicht sehen. Langsam kam sie auf ihn zu.
Er wusste, was passieren würde. Nancy stieß ihn mit einem Finger, und er kippte nach hinten. Als er vom Treidelpfad fiel, wunderte er sich, wieso er sich erleichtert fühlte.
5
IN DER SCHULE hatte Anselm einen Jesuitenpater als Lehrer, der es für hilfreich hielt, Jugendliche zu Beginn der Adoleszenz mit Leben und Werk John Bunyans vertraut zu machen. Erstens hatten diesen vorbildlichen Menschen in seiner Jugend dämonische Träume geplagt; zweitens hatte er unter einer merkwürdigen Krankheit gelitten, die ihn zu fürchterlichen Gotteslästerungen und dem Verzicht auf Erlösung getrieben hatte. Um diesen Neigungen entgegenzuwirken, die bei der Jugend so häufig zutage treten, las der amüsierte Jesuit ausgewählte Passagen aus der Pilgerreise vor, jener Allegorie eines beladenen Mannes, der aus einer brennenden Stadt flieht.
Diese Erinnerung stieg lebhaft in Anselm auf, als er nicht weit vom Grab des Autors in Bunhill Fields auf einer Bank saß. Neben ihm saß Mrs. Dixon in einem langen, rostbraunen Tweedmantel. Sie trug robuste Schuhe und dicke Socken. Um den Kopf hatte sie einen Paisley-Schal gebunden und unter dem Kinn zusammengeknotet. Wortlos hatte sie Anselm in diesen friedlichen Garten geführt. Tausende Gräber drängten sich unter Platanen, Eichen und Linden. Das Licht drang durch das winterliche Geäst der Bäume.
»Ich hatte mich schon entschlossen, mit Ihnen über meinen Sohn zu sprechen«, sagte Mrs. Dixon schließlich.
Anselm vermutete, dass er nun erfahren würde, warum sie Georges Namen nicht schon bei ihrer ersten Begegnung erwähnt hatte. Die Spannung machte ihn ungeduldig. Überlassen Sie es Anselm.
»Ich habe neulich jemandem erzählt, Elizabeth habe als Letztes zu mir gesagt, dass sie nicht mehr kommen würde. Das ist nicht wahr.« Mrs. Dixon musterte eingehend ihre Handrücken. »Elizabeth hat noch viel mehr gesagt: dass sie Graham gefunden hat und dass die Zeit der Lüge vorbei wäre.«
Für einen Moment begriff Anselm nicht, was sie gesagt hatte. Er hatte George Bradshaw im Sinn, nicht Graham Riley. Als es bei ihm klickte, hatte er das Gefühl aus einer muffigen Matineevorstellung ins kalte Tageslicht zu kommen. »Ihr Sohn?«, fragte er dümmlich.
Mrs. Dixon nickte. Ihre Miene war ausdruckslos, als wären alle ihre Gefühle irgendwo sicher verwahrt. Entschlossen erklärte
Weitere Kostenlose Bücher