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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
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vor der Witterung. Die Feuertreppe war breit und aus Blech. Bei Wind gab es allerdings ein Problem. Er verwirbelte in dem winzigen Innenhof und trieb den Regen waagerecht vor sich her. George wischte sich schon seit zehn Minuten das Gesicht, als er beschloss, zu Marco’s zu gehen. Mühsam stand er auf, nahm seine beiden Plastiktüten … und stockte.
    In einer der Tüten steckten unter seinem zusammengerollten Schal ein alter Milchkarton, ein grünliches Brot und ein paar Konservendosen. Das war nicht seine Tüte. Er schaute in der anderen nach und wusste sofort Bescheid. Versehentlich hatte er die Plastiktasche mit Nancys Einkäufen mitgenommen, weil er seinen Schal darauf hatte liegen sehen. Er musste ihn wohl darauf abgelegt haben, ohne es zu merken. Und das hieß, dass er Heft 1 bis 22 dagelassen hatte. Mit wachsender Sorge schaute er in Heft 23 nach, um sich in seiner eigenen Geschichte zu orientieren. Es bestand kein Zweifel. Er hatte sein halbes Leben zurückgelassen: eine Kindheit in Harrogate, die Fahrt per Anhalter nach London als Jugendlicher und natürlich seine verwickelten Beziehungen zu Graham Riley.
    Der Wind rang heulend mit den Mülltonnen und Müllsäcken. George packte seinen Schlafsack und die Plastiktüte mit der anderen Hälfte seines Lebens. Er lief zu Marco’s und suchte sich einen Platz ganz hinten in einer Ecke, unter einem Heizstrahler. Ohne dass er danach fragen oder dafür bezahlen musste, tauchte sofort ein Teller mit Toast und ein Becher heißer Schokolade vor ihm auf.

12
    ANSELM HATTE DEN Weg vergessen, den er sich auf dem Stadtplan angeschaut hatte. Also machte er sich an der Waterloo Station wieder auf die Suche nach einem Zeitungskiosk. Er studierte den Plan und merkte sich die Abzweigungen nach rechts und links. Anschließend duckte er sich wieder hinaus in den Regen.
    Fünf Minuten später musterte er Trespass Place: die hoch aufragenden Mauern, die Hintertüren ohne Klinken, die Schilder mit der Aufschrift »Einfahrt freihalten«. Er ging zu einer gigantischen Feuertreppe am anderen Ende. Um Einbrecher fernzuhalten, war der untere Teil waagerecht hochgeklappt. Aber diese Vorsichtsmaßnahme machte eine lange Kette zunichte, die sich langsam um ihre eigene Achse drehte. Unter diesem Schutzdach stand eine Reihe grüner Plastiksäcke mit gelbem Klebeband. An der Wand lehnten Pappkartons. Eine Einkaufstüte lag offen da. Die Milch war klumpig und das Brot pelzig vor Schimmel. Anselm schaute auf das Haltbarkeitsdatum. Jemand hatte diese Sachen noch vor Elizabeth’ Tod gekauft. George Bradshaw hatte nicht gerade lange gewartet. Man konnte es ihm nicht verübeln. Anselm musterte die Abflussrohre, das zerknüllte Klebeband und die Mülltonnen. Ein Mandant hatte ihm einmal gesagt, das Amtsgericht Sunderland sei die Hölle. Er hatte Unrecht. Anselm trat unter die hochgeklappte Treppe und zog die Pappe beiseite. An der Mauer waren fein säuberlich kurze Striche eingeritzt.
    Mit gesenktem Kopf und schnellen Schritten verließ Anselm den Hof. Ein Stück weiter an der Straße sah er die hellen Lichter eines Cafés. Er lief hin, stellte sich im Eingang unter und überlegte, was er als Nächstes tun sollte.

13
    ZU DEN GROSSEN Vorzügen bei Marco’s gehörten die elektrischen Heizstrahler an den Wänden. Sie waren hoch angebracht und altmodisch – rot glühende Spiralen vor glänzenden Metallreflektoren. Genau wie Marco summten sie bei der Arbeit.
    George trank seine heiße Schokolade und überlegte, was er wegen seiner fehlenden Hefte unternehmen sollte. Es war unmöglich, einfach aufzutauchen, seine Tüte zu nehmen und wieder zu verschwinden. Nein, er durfte Nancy nicht mehr sehen, zumindest nicht, bis alles vorbei – und Riley verhaftet wäre. Dann könnte George erklären, warum er verschwunden war und warum er sie betrogen hatte. Bis dahin bestand aber die Möglichkeit, dass sie Heft 20 durchblätterte, wo ihr Mann zum ersten Mal erwähnt wurde. Dieses Risiko musste er eingehen. Sie würde schon nicht hineinschauen … so war sie nicht. Sie war gut erzogen.
    Die Fenster waren trüb und beschlagen. Durch die Glastür sah George eine dunkle Gestalt, die sich in der Kälte hin und her wiegte. George rührte den Milchschaum um und dachte an Graham Riley.
    Eines war merkwürdig an dem ganzen Prozess. Jennifer Cartwright – sie war damals Detective Sergeant – hatte ihn eingehend über das Haus in der Quilling Road befragt. Er hatte einen Grundriss gezeichnet, die Tapete beschrieben,

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