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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
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16
    GEGEN ABEND GING Nick in das grüne Zimmer und schlug Die Nachfolge Christi auf. Das Loch im Inneren machte es unmöglich, die erste Seite und die meisten der folgenden Kapitel zu lesen. Wieso sollte jemand das Innere eines Buches herausschneiden, wenn er es nicht in- und auswendig kannte? Während er versuchte, einen abgeschnittenen Satz zu vervollständigen, indem er die fehlenden Wörter ergänzte, klingelte das Telefon. Pater Anselm war in London und wollte sich noch heute Abend mit ihm treffen. Er sagte: »Ich habe jetzt zumindest eine der Antworten, nach denen Sie suchen.«
    Sie verabredeten sich, und während Nick das Buch zuklappte, dachte er, dass seine Mutter ein ähnliches Rätsel war.
     
    Nick parkte den gelben Beetle vor dem alten Gemäuer von Gray’s Inn Chapel. Unter einer Straßenlaterne in der Nähe stand Pater Anselm und legte den kurz geschorenen Kopf schief, als wundere er sich über die Findigkeit moderner Technik. Vor den Bogenfenstern nahm er sich fast aus wie eine mittelalterliche Figur, wenn er nicht seinen formlosen Dufflecoat getragen hätte. Sie überquerten die Holborn und gingen durch die Chancelery Lane Richtung South Bank. Der Regen am Nachmittag hatte die Luft gereinigt, und die Straßen glänzten nass. Am Schaufenster des Hofschneiders Ede and Ravenscroft warf Pater Anselm einen Blick auf die Perücken, Kragen und eleganten Anzüge. Hinterher war er eine Weile sehr still. Auf der Mitte der Hungerford-Brücke blieb Nick stehen und lehnte sich mit verschränkten Armen auf die Brüstung. Der Fluss glitzerte in Ufernähe, aber in der Mitte war er schwarz und geheimnisvoll und wirkte daher tiefer und anziehender. Ein kleines Boot tanzte auf den Wellen. Nick beobachtete sein gespenstisches Überleben, als er neben sich die Stimme des Mönchs hörte.
    »Forensiker sagen, jeder Kontakt hinterlässt Spuren.« Pater Anselm schaute ebenfalls ins Wasser. »Das nennt man das Locard-Prinzip. Dahinter steht die Vorstellung, dass man bei der Berührung eines Gegenstandes etwas hinterlässt, was vorher nicht da war – ein bisschen von sich. Umgekehrt nimmt man etwas mit, was man vorher nicht an sich hatte – einen Teil des Gegenstandes. Das ist eine beunruhigende Tatsache. Wir können nichts tun. ohne dass es zu diesem Austausch kommt.«
    Im Dunkeln erkannte Nick ein Tau zwischen dem kleinen Boot und einer Boje. Seine Mutter hatte an Saint Martin’s Haven gehangen. Wind und Regen hatten ihr den Kopf frei gemacht für das, was sie zu tun hatte. Das wurde ihm nun klar. In der Ferne begann ein Straßenmusikant Flöte zu spielen.
    »Locard dachte dabei nicht an Anwälte«, fuhr Pater Anselm nachdenklich fort. »Hätte er es getan und hätte er das Prinzip nicht auf Berührungen angewandt, sondern auf Verhalten, dann wären sie die Ausnahme von der Regel, weil nichts an ihren Roben hängen bleibt. Sie können Unschuldige anklagen oder Schuldige verteidigen und bleiben doch untadelig, wie sie es sein sollen. In gewisser Weise bestimmen nicht Prinzipen, sondern der Zufall über ihre Lauterkeit. Anders geht es nicht. Sie stehen da und drängen dich, das eine zu glauben, dabei würden Sie dich mit der gleichen Inbrunst und ohne Preisunterschied genau vom Gegenteil überzeugen, wenn die andere Seite sich zuerst an sie gewandt hätte. Das hat nichts damit zu tun, was sie tatsächlich glauben oder, entgegen der landläufigen Meinung, was man ihnen anschließend dafür bezahlt. Sie sind der Beweislage und den Anweisungen ihres Mandanten verpflichtet. Dafür würden viele Leib und Leben riskieren. Was sie selbst angeht, wenn sie nach Hause gehen … so leben sie wie auf einer Insel, isoliert durch das Nichtwissen und das Sich-nicht-darum-kümmern-Dürfen. Der Riley-Prozess hat das alles für Ihre Mutter verändert. Der Kontakt hat Spuren hinterlassen.«
    Der Mönch schlängelte eine Hand unter den Dufflecoat in eine Tasche. Er reichte Nick einen Brief und sagte: »Nachdem sie Riley geholfen hatte, einer Verurteilung zu entgehen, machte sie sich daran, ihn wieder vor Gericht zu bringen … um ihm seinen guten Namen zu nehmen. Im Fall ihres Todes hat sie mich gebeten, zu vollenden, was sie begonnen hat.«
    Benommen las Nick die Anweisungen. Warum hatte sie sich ihm in dieser Krise nicht anvertraut? Wieso war sie so verschwiegen geblieben? Er starrte auf die fein säuberlichen Sätze, während Pater Anselm seine Sicht der Ereignisse erklärte: Elizabeth hatte den Glauben an ihre

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