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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
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war.
    »Was ist passiert?«, fragte Mrs. Dixon und blinzelte über ihre Teetasse.
    »Er ist einfach gestorben, wie ein Licht ausgeht.«
    »Wieso?«
    »Herzschwäche.« Heute verstand Nick es, nachdem Dr. Okoye die Diagnose gestellt hatte.
    »Wie war ihr Vater«, fragte Mrs. Dixon nach einer Weile.
    »Meine Mutter hat kaum über ihn gesprochen«, antwortete Nick. »Einmal erzählte sie mir, dass kein Tag verging, an dem sie nicht an ihn gedacht hätte.« Nick nippte an seinem Tee, der mittlerweile kalt war, dann sagte er seltsam gerührt: »Sie sagte, ich sei genau wie er …« Als er dieser fein gemachten Fremden diesen Satz sagte, begriff er zum ersten Mal seine eigene Jugend und die Sorge seiner Mutter. Sie hatte ihm zu sagen versucht, wieso sie sich nicht mehr verstanden hatten, aber er hatte es nicht begriffen.
    »Und was ist mit Elizabeth’ Mutter?«, fragte Mrs. Dixon.
    »Wie erging es ihr?«
    »Nicht sehr gut.«
    »Das wundert mich nicht.«
    »So habe ich das nicht gemeint.« Er stockte, da er eigentlich nicht viel mehr ausplaudern wollte. »Sie starb auch – kurze Zeit später, an einer Blutvergiftung.«
    Mrs. Dixon wirkte sichtlich schockiert. Nick ärgerte sich, weil er fürchtete, das Leben seiner Mutter sei zu einer Episode in einer Soap-Serie geworden.
    »Danke, dass Sie mir erzählt haben, was Elizabeth zugestoßen ist«, sagte Mrs. Dixon und stellte ihre Tasse auf den Tisch. »Jetzt verstehe ich, wieso sie sich um mich gekümmert hat.«
    »Wirklich?«, fragte Nick neugierig.
    »Ja … Wissen Sie … In meinem Leben gab es auch manches Unglück.« Sie nahm eine Papierserviette. »Und ich weiß, wie es ist, Menschen zu verlieren und sie wiederhaben zu wollen. Die Stadt hatte das natürlich alles in ihren Akten stehen, sie haben es Ihrer Mutter bestimmt erzählt. Als sie an meine Tür geklopft hat, brachte sie, Gott sei Dank, nicht nur Mitleid mit, sondern … sich selbst.« Die Serviette zerriss in ihren Händen.
    Nick schämte sich, dass er vorher etwas verärgert auf diese arme Frau reagiert hatte, die in echter Not war. Er wäre gern gegangen, aber jetzt war der geeignete Moment, die Frage zu stellen, die ihn hergeführt hatte: »Bevor meine Mutter starb, rief sie noch jemanden an … nämlich Sie.«
    Mrs. Dixon nickte. Ihr Mund war entschlossen, und ihr Blick war plötzlich leer.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu erzählen, was Sie gesagt hat?«
    »Durchaus nicht.« Mrs. Dixon wirkte tragisch isoliert in ihrem Sessel, als wäre sie als Einzige von der Gartenparty übrig geblieben. »Elizabeth sagte … ›Es tut mir leid, aber ich werde nicht mehr kommen‹.«
    Nick war verdutzt. Die letzte Phase ihres Lebens hatte seine Mutter einem Plan gewidmet, dessen Ziele für sie wichtig waren. Aber ihre letzten Worte galten einer vergessenen Frau in einem Hochhaus, die sich zum Tee fein machte; dem Menschen, der sie wahrscheinlich am meisten brauchte.

5
    ALS VON NACHHAUSEGEHEN die Rede war, flüsterte George: »Darf ich?«
    »Sind Sie dazu bereit?«, fragte Anselm.
    »Ja.« Aus seiner Miene sprach Verlangen und Angst zugleich. Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her.
    »Falls Sie vergessen, wohin ich gehe, überrasche ich Sie, wenn ich zurückkomme«, erklärte Anselm zuversichtlich. Etwas Wahreres war ihm noch nie über die Lippen gekommen, dachte er. Er war sicher, dass Emily Bradshaw mit ihm kommen würde.
    Mehr vor Aufregung als vor Ungeduld ließ Anselm den Türklopfer gegen die Tür des Reihenhauses in Mitcham knallen. Eine Gestalt kam an die Tür und zeichnete sich bruchstückhaft in dem runden, buckeligen Glas ab.
    Emily Bradshaw stand am Erkerfenster. Anselm spürte neben der Armlehne eines Sofas ihre Schreckstarre. Sie war dorthin gegangen, ohne ein Wort zu sagen oder ihm einen Platz anzubieten. Wenn die Vergangenheit zu Ende geht, gerät man in Panik, dachte Anselm. Er wusste genau, was er sagen wollte. Er hatte es sich in der U-Bahn gut überlegt. »Neulich haben Sie mir gesagt: Von nichts kommt nichts.«
    Emily schob mit dem Handrücken die Gardine zurück – nur einen Spalt. »Das habe ich aus The Sound of Music. «
    »Wie bitte?«
    »Aus dem Film The Sound of Music – Meine Lieder, meine Träume. Der Kapitän und Maria singen es im Garten, als alles gut wird.« Emily klang unglaublich traurig. Ihre Hand sank herunter.
    Anselm gewann an Stärke; solche Momente ließen sich überwinden. Er redete auf ein Happy End zu. »Ich habe George gesehen. Er ist bereit, nach Hause zu

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