Patient Null
um ihn herumzureißen und gegen die Wand zu schmettern. Dann ergriff ich ein Büschel Haare und rammte sein Gesicht mit voller Wucht gegen die Mauer. Einmal, zweimal, dreimal. Immer und immer wieder. Von seinem Kinn war nicht mehr viel übrig, aber ich packte, was es noch gab, hielt gleichzeitig seine Haare fest und drehte mich dann so schnell und ruckartig wie nur möglich zur Seite. Verzweifelt hielt ich ihn am Kopf fest und wirbelte herum wie ein Pirouettenkönig.
Endlich ein lauter Knacks !
Dann war Javad tot. Sein Körper erschlaffte, als ob jemand den Stecker gezogen hätte. Ich ließ den Kopf los, und er fiel reglos zu Boden.
Keuchend rang ich um Atem. Schweiß strömte über mein Gesicht, brannte in meinen Augen. Ich hörte ein Geräusch hinter mir und drehte mich blitzschnell um. Da stand Church gegen den Türrahmen gelehnt.
»Willkommen im Club. Sie haben gerade das neue Gesicht des globalen Terrorismus erlebt«, meinte er.
6
Easton, Maryland Samstag, 27. Juni / 14:36 Uhr
»Was war das?«
Wir saßen wieder am Tisch. Vorher hatte ich mich noch frischgemacht. Soll heißen, ich hatte mich geduscht und den Null-acht-fünfzehn-Sportanzug angezogen, den sie mir zur Verfügung gestellt hatten. Das Zittern fing unter der Dusche an. Natürlich schob ich es auf das Adrenalin, aber
da steckte mehr dahinter. Nach einer halben Stunde zitterten meine Hände immer noch. Es machte mir keinen Deut aus, ob Church es bemerkte oder nicht.
Er zuckte mit den Schultern. »Wir haben noch keinen Namen für seinen Zustand.«
» Zustand? Der Hurensohn war tot !«
»Von nun an«, meinte Church, »sollten wir ›tot‹ als relativ betrachten.«
Seine Worte musste ich erst einmal verdauen. Er ließ mir Zeit.
»Das war derselbe Mann, dem ich in der Lagerhalle zwei Kugeln in den Rücken verpasst habe – oder? Nach so etwas steht keiner so schnell wieder auf. Genauer gesagt, nie. Ich habe sein Blut und mehrere Knochenstücke an die Wände spritzen sehen …«
»Javad Mustafa, ein Iraker«, meinte Church nickend. »Ihre Schüsse waren tödlich, aber er starb nicht sofort. Auf dem Weg ins Krankenhaus war er noch am Leben, hat es aber nicht mehr bis dorthin geschafft. Kurz nach der Ankunft jedoch lebte er wieder auf.« Er spreizte die Finger. »Wir haben den anschließenden Vorfall unter Kontrolle gebracht. Aber bemühen Sie sich nicht: Sie werden nirgendwo irgendwelche Hinweise darauf finden. Weder in den Zeitungen noch in sonstigen Medien – das gilt übrigens auch für das Internet.«
»Gütiger Himmel … Haben wir es … Haben wir es mit Zombies zu tun?«
Der Anflug eines Lächelns huschte über Churchs Gesicht. »Wir nennen ihn ›Wiedergänger‹, so etwas wie in Dead Man . Der Abteilungsleiter unser Wissenschaftsabteilung ist ein unverbesserlicher Filmfan. Und um Ihre nächste Frage gleich vorwegzunehmen – das Ganze hat nichts mit irgendetwas Übernatürlichem zu tun.«
»Aber wie kann so etwas passieren? Giftmüll … Eine Seuche?«
»Das können wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht beantworten. Vielleicht handelt es sich um eine durch Prionen verursachte Erkrankung oder um einen Parasiten. Möglicherweise auch beides. Das Einzige, was wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass es sich um eine Hyperaktivität der Stammzellen handelt. Ganz im Sinne eines Parasiten ist der Erkrankte einzig und allein auf Fortpflanzung aus. Natürlich nicht in sexueller Hinsicht, sondern durch einen Biss, der nach unserer bisherigen Erkenntnis zu hundert Prozent infektiös ist. Wir sind noch am Anfang unserer Untersuchungen.«
»Und nur der Biss ist ansteckend?«, fragte ich. Es fühlte sich auf einmal an, als ob eine Armee eisgekühlter Ameisen in meinen Gedärmen ein Manöver veranstaltete.
»Wir haben eine Reihe von Tests am Schweiß und anderen Körperflüssigkeiten des Subjekts durchgeführt. Die stärkste Konzentration des Erregers befindet sich im Speichel. Der Biss infiziert das Opfer.«
Ich nahm den blauen Fleck an meinem Arm genauer unter die Lupe. »Ich trage kein Kevlar. Wenn der mich hier gebissen hätte …«
Church sah mir in die Augen.
Wut stieg in mir auf, glutrot wie ein Hochofen. »Sie sind ein verdammter Scheißkerl, ein ekelhaftes Stinktier! Wissen Sie das eigentlich?«
»Wie gesagt, Mr. Ledger – das ist das neue Gesicht des Terrorismus. Eine fürchterliche Biowaffe, die wir noch nicht verstehen. Es könnte Monate dauern, ehe wir überhaupt einen durchführbaren Forschungsplan erstellt haben. Mit
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