Patient Null
gegen etwas. Vor mir lag eine leblose, aufgeblähte Ratte, die mich aus toten Augen anstarrte. Ich stieg darüber und ging weiter, bis ich zu einer weiteren Tür kam. Sie war verschlossen. Vor ihr lag ein Haufen Müllsäcke voll alter Mäntel, kaputter Regenschirme, Spielzeug, alter Zeitungen und benutzter Windeln. Sogar bei dieser Kälte summten Fliegen drum herum, und der Gestank war überdeutlich. Ich hielt den Atem an, während ich die Wanzen anbrachte. Zum Glück musste ich mich nicht hier verstecken.
Der ganze Gang war voller Müll. Es war eine merkwürdige Ansammlung. Ein Fußball ohne Luft lag auf einem nagelneuen Turnschuh. Ein geöffneter Aktenkoffer, die Papiere herausgefallen und von rostfarbenem Wasser durchnässt. Ein kaputtes Handy. Zwei Frisbees und ein BH. Ein halbes Dutzend iPods. Unzählige Briefe – die meisten davon Reklamesendungen und Rechnungen – lagen ungeöffnet herum. Zudem Teile von Puppen, ein Kopf hier, ein Körper, Arm oder Bein dort, ein umgestürzter Einkaufswagen voller Dosen.
Bei dem Anblick der Müllhalde und dem rostigen Wasser lief es mir kalt den Rücken hinunter. Düstere Gedanken breiteten sich in mir aus, und der gesunde Teil meines Hirns gab mir zu verstehen, dass ich mich so schnell wie möglich umdrehen und hier raus sollte. Ich schlich jedoch weiter den Gang entlang und versah drei weitere Türen mit den Wanzen, ehe der Korridor wieder um eine Ecke führte. Mit gezückter Waffe schlich ich mich an der Wand entlang und blickte eine Zehntelsekunde um die Ecke, ehe ich mich wieder zurückzog. Was ich gesehen hatte, jagte mir einen eisigen Schauder über den Rücken.
Scheiße, dachte ich.
Ich bog um die Ecke, immer noch nach Kameras und sonstigen Gefahren Ausschau haltend. Der Lauf meiner Pistole folgte meinen Augen. Vor mir befand sich ein großes Tor. Aber es war weder das Tor noch der Gestank, was mir Angst machte. Der Boden war mit Kleidern und persönlichen Gegenständen übersät. Manche Sachen waren fast neu. Es sah aus wie Dinge, die normalen Menschen gehört hatten. Von ungeheuer vielen …
Das Tor war mit einem riesigen Vorhängeschloss versehen, das durch Stahlringe gesteckt war, die man an die Flügeltüren geschweißt hatte. Die Tür, die umliegenden Wände und der Boden waren allesamt mit einer zähflüssigen Substanz bedeckt, die zu einer schokoladenbraunen Masse getrocknet
war. Ich beugte mich vor und erkannte, dass unter der Masse Drähte und Kabel die Wand emporliefen und in kleinen Löchern verschwanden, die in den Beton gebohrt waren. Das andere Ende führte die Wand hinunter hinter einen Feuerlöscher, der auf Brusthöhe angebracht war. Eine versteckte Sprengladung. Und nicht schlecht versteckt. Die Frage war jetzt nur, ob die Sprengladung im Feuerlöscher oder in dem verschlossenen Raum steckte. Oder sowohl als auch. Ich schlich vorsichtig zurück, hielt dann inne und blickte mich noch einmal um, um das Wasser unter der Tür genauer in Augenschein zu nehmen. Die Farbe war dort röter, als ob jemand Pigmente hinzugefügt hätte.
Als mir klar wurde, was es war, verlor ich für einen Moment beinahe die Fassung. Ich stolperte rückwärts. Mein Herz pochte wie wild, und eine instinktive Furcht ergriff mich. Ich starrte auf das gefärbte Wasser, die vollgeschmierten Wände, und das Entsetzen erfüllte jede Pore meines Körpers. Die zähflüssige Substanz an den Türen war kein Schlamm, und das Wasser war nicht durch Rost verfärbt.
Es war Blut – all das war Blut!
62
Crisfield, Maryland Mittwoch, 1. Juli / 03:23 Uhr
Langsam näherte ich mich der Tür, sah mich aber vor, sie nicht zu berühren. Dahinter herrschte Stille … Es war eine merkwürdige Stille, als ob jemand am anderen Ende der Leitung den Atem anhalten würde. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte und machte mich wieder auf den Weg zurück. Kein Anzeichen von Ollie. Hören konnte ich ihn ebenfalls nicht. Auch diese Stille war unheilvoll.
Ich versteckte mich hinter den Mülltüten und klopfte an den Kommunikator, um einen sicheren Kanal mit dem DMS herzustellen. »Deacon, hören Sie mich? Cowboy hier«, sagte ich und benutzte die Codenamen, die wir vorher ausgemacht hatten. Rudy hatte mir den meinen gegeben. Wenn man an den Sinn für Humor dachte, der sonst meist bei Militär herrschte, hätte es schlimmer sein können. Ich kannte einmal einen Kerl bei den Rangers, der auf Cindy-Lou Who antworten musste.
»Ich höre Sie, Cowboy. Deacon hier.« Die Kommunikatoren
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