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Patient Null

Titel: Patient Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Maberry
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die Klamotten vom Leib und untersuchte jeden Quadratzentimeter meiner Boxershorts, wobei ich besonders auf die Nähte und das Etikett achtete. Nichts. Ich zog sie wieder an.
    »Gott sei Dank«, meinte Rudy trocken.
    Ich zeigte ihm den Stinkefinger und wiederholte die Prozedur für jedes der ausgeliehenen Kleidungsstücke.
    »Wonach suchst du?«
    »Nach Wanzen.«
    »Nach Wanzen wie in Minimonster oder nach Wanzen wie in Ich-bin-verdammt-paranoid-und-ich-hoffe-dassmein-Therapeutenfreund-seine-Pillen-dabeihat?«
    »Genau die«, sagte ich, zog die Klamotten wieder an und setzte mich auf einem Felsen in seiner Nähe.
    »Was ist los, Joe?«
    »Das ist es, Rudy … Ich habe keinen blassen Schimmer.«
    Seine dunklen Augen ruhten auf meinem Gesicht. »Okay«, meinte er langsam. »Dann erzähl doch einfach mal – und zwar am besten von Anfang an.«

    Genau das tat ich auch. Als ich mit meinem Bericht fertig war, schwieg er für eine Weile. Er beobachtete eine Gottesanbeterin, die sich auf einem Blatt sonnte. Die Sonne war zu einem roten Ball hinter den Bäumen in der Ferne geworden, und die letzte Wärme des Spätnachmittags machte einer kühlen Brise der hereinbrechenden Dämmerung Platz.
    »Joe? Sieh mir in die Augen und schwöre mir, dass das alles wahr ist.«
    Ich tat ihm den Gefallen.
    Er achtete auf meine Pupillen und die Muskeln um meine Augen. Ihm wäre jedes Ausweichmanöver, jede Lüge sofort aufgefallen. »Und du siehst keine Möglichkeit, wie dich dieser Mr. Church hinters Licht hätte führen können? Vielleicht war Javad ja mit von der Partie?«
    »Ein paar Tage zuvor habe ich ihm mehrere Kugeln in den Rücken gejagt. Und heute habe ich sein Gesicht zu Brei geschlagen, ehe ich sein Genick brach.«
    »Das soll also Nein heißen.« Rudy wurde sichtlich bleicher, als er schließlich zu begreifen begann.
    »Könnten Prionen so etwas bewirken?«
    »Vor heute hätte ich diese Frage eindeutig mit Nein beantwortet. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, aber Zweifel habe ich immer noch.«
    »Was zum Teufel sind eigentlich Prionen? Ich kann mich nicht mehr so genau erinnern, was ich mal über sie gewusst habe.«
    »Sie sind recht geheimnisvoll, fast schon sagenumwoben. Prionen sind kleine infektiöse Proteine, die gegen gewöhnliche Methoden resistent sind, Nukleinsäuren zu verändern. Macht das einen Sinn?«
    »Nicht im Geringsten.«
    »Leider kann man es nicht vereinfachen. Prionen sind so gut wie unerforscht. Das Einzige, was wir über sie wissen, ist unser Nichtwissen. Von Prionen ausgelöste Krankheiten
bezeichnet man meist als spongiforme Enzephalopathie, weil das Gehirn bei der Autopsie große Vakuole in der Hirnrinde sowie im Kleinhirn aufweist. Anders ausgedrückt: Das Gehirn eines Infizierten sieht aus wie ein Schweizer Käse. Der Krankheitsverlauf zeichnet sich hauptsächlich durch Verlust der motorischen Fähigkeiten, Demenz, Lähmungen, Kräfteverfall und letztendlich den Tod aus. Das Ende folgt gewöhnlich nach einer Lungenentzündung. Rinderwahn ist eine Art von spongiformer Enzephalopathie. Aber eine Rückkehr aus dem Reich der Toten gehört bisher – soweit ich weiß – nicht zu den typischen Symptomen.«
    »Das heißt also, dass Prionen allein nicht in der Lage sein können, einen Terroristen in ein solches Monster zu verwandeln?«
    »Ich wüsste nicht, wie.«
    »Du glaubst allerdings, dass dieser Church auch nur im Dunklen tappt. Wie lange ist es her, seitdem du besagten Javad in den Rücken geschossen hast? Fünf Tage? Da bleibt nicht viel Zeit für medizinische Untersuchungen dieser Art. Es ist also durchaus möglich, dass Church auf dem Holzweg ist, was die Ursache betrifft.«
    »Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass Javad tot war.«
    »Dios mio.«
    »Rudy, du glaubst mir doch – oder?«
    Er starrte wieder auf die Gottesanbeterin. »Ja, Cowboy. Ich glaube dir. Auch wenn ich mich innerlich mit aller Kraft dagegen wehre.«
    Mir erging es ähnlich.

11
    Grace Courtland und Mr. Church / Easton, Maryland 18:22 Uhr
     
    Mr. Church saß im Verhörraum und wartete. Als er ein leises Klopfen an der Tür vernahm, blickte er auf. Eine Frau betrat das Zimmer. Sie war mittelgroß, schlank und besaß eine – wie Church das früher einmal bezeichnet hätte – »beunruhigende Schönheit«. Sie trug ein graues Kostüm über einer korallenroten Bluse. Flache leichte Schuhe rundeten ihre gepflegte Erscheinung ab. Kurze dunkle Haare, braune Augen mit goldenen Tupfern. Keine Ringe, kein Schmuck. Sie

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