Patient Null

bestimmten Stichworten auszufiltern und zu lokalisieren. Das war nichts Neues. Wenn man also nach »Bombe, Schule« suchte, dann leuchtete irgendwo ein rotes Lämpchen auf, und die freundlichen Männer mit den Kampfanzügen, den Rammen und Maschinengewehren würden innerhalb kürzester Zeit an deine Tür klopfen.
    Wenn ich also plump an die Sache heranging, würde ich garantiert in eine Falle tappen. Aber wie sollte ich es denn anstellen? Die Geschichte einfach auf sich bewenden lassen? Unmöglich. Das würde Church vermutlich auch nicht von mir erwarten. Selbst wenn er richtig lag und sich herausstellte, dass diese ganze Javad-Prionen-Wiedergänger-Geschichte überstanden war. Selbst wenn wir das Glück hatten, diesen Ein-Mann-Versuch abgewehrt zu haben, ehe er überhaupt begonnen hatte, so ließ es sich doch nicht leugnen, dass er meine Welt auf den Kopf gestellt hatte. Jetzt konnte ich mir auf einmal vorstellen, wie man sich fühlte, wenn man ein UFO oder einen Yeti gesehen hatte. Damit meinte ich nicht irgendwelche Verrückten, sondern diejenigen Menschen, die normal waren, aber halt etwas außerhalb der üblichen Realität wahrgenommen hatten und nun nicht wussten, was sie damit anfangen sollten.
    Was konnte passieren, wenn ich direkt nach den richtigen Stichworten suchte? Was würde Church machen? Ich hatte den Mann getroffen. Zweifelte deshalb keinen Augenblick daran, dass er über Leichen gehen würde, wenn er sich davon Resultate erhoffte. Aber als rachsüchtig schätzte ich ihn nicht ein.
    Was würde er also tun, wenn ich nach »Department of Military Sciences« suchte?

    »Leck mich, Church«, sagte ich laut und drückte die Eingabetaste.
    Ich erhielt einige Hits für Kurse in einem College, aber nichts, was auch nur im Geringsten mit nationaler Sicherheit oder Geheimdiensten zu tun hatte. War alles also Zeitverschwendung gewesen? Vielleicht. Vielleicht hatte ich aber auch Church zum nächsten Zug gezwungen.

21
    Gault und Amirah / Im Bunker Sechs Tage zuvor
     
    Die extra starken Level-A-PVC-Schutzanzüge waren luftgekühlt und angenehm zu tragen, aber Gault fühlte sich trotzdem wie ein übergroßer Marshmallow. Er stand vor der Luftschleuse, in der einen Hand eine Fernbedienung, die den Sicherheitsmechanismus auslöste, und in der anderen eine Snellig 46, einen Taser mit einer ziemlichen Reichweite. Amirah stand hinter einer Wand aus Plexiglas; ihre Hände schwebten über einer Computertastatur.
    »In welchem Stadium befindet es sich?«, wollte Gault wissen. Die Schutzanzüge waren schalldicht, aber die Qualität der Sprechanlagen erstklassig.
    »Fortgeschrittene erste Phase.«
    Gault zog eine Augenbraue in die Höhe. »Lebt es denn noch?«
    Die Kreatur vor ihnen machte nicht den Eindruck, als ob sie lebte. Die ehemals braune Haut war zu einem fahlen Gelb verblasst – die Sorte Gelb, die normalerweise blaue Flecke umgibt. Der Mund war unbeweglich, die Lippen grau und gummiartig. Erst als Gault einige Schritte zur Seite gemacht hatte, um dem Ding in die Augen zu sehen, entdeckte er einen schwachen Rest von Intelligenz darin.

    »Ich habe die Hormonausgabe neu generiert, so dass die Zusammensetzung des Bluts den Parasiten entgegenkommt. Sie sind nun in der Lage, die Prionen erheblich schneller auszubreiten. Nicht-essenzielle Funktionen werden außerdem auf diese Weise wesentlich schneller lahmgelegt«, berichtete Amirah begeistert. »Je höher die Hirnfunktion, desto schneller stirbt sie ab.«
    »Wie viel schneller?«
    Amirah hielt inne, wandte sich zu ihm um und lächelte ihn triumphierend an. »Achtmal so schnell.«
    Er runzelte die Stirn. »Und das ist die dritte Generation?«
    Sie lachte. »O nein, Sebastian … Das ist schon lange her. Vor deinen Augen steht die siebte Generation des Seif-al-Din -Erregers. Wir haben so gut wie alle Hürden überwunden.«
    Gault begutachtete das Exemplar genauer, ehe er den Blick auf die große Wanduhr richtete. »Sieben. Alle Achtung! Wann wurde die Infektion ausgelöst?«
    »Kurz bevor ich dich abgeholt habe.«
    Gault fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. »Also vor ungefähr einer Stunde?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Weniger. Vor siebenundvierzig Minuten, um genau zu sein. Und ich glaube, selbst das können wir noch unterbieten. Diese Daten gelten nur für die Injektion. Wir haben inzwischen einen neuen Parasiten entwickelt, der die Speicheldrüse befällt. Erfreulicherweise kann nun eine Infektion durch einen Biss innerhalb von Minuten ausgelöst