Patient Null
Ledger, wenn Terroristen mit einem Koffer voller Atombomben durch die Gegend streiften und in jeder größeren Stadt eine hochgehen lassen würden, wäre das weitaus weniger gefährlich, als wenn auch nur ein weiteres Javad-Exemplar in den Umlauf kommt. Wenn eine derartige Seuche ausbrechen würde, wären wir nicht in der Lage, sie einzudämmen. Sowohl die Infektionsrate als auch der Aggressionsfaktor würde sie innerhalb von wenigen Minuten unkontrollierbar machen.« Er kaute auf seinem Kaugummi herum und wiederholte dann: »Innerhalb von wenigen Minuten.«
Ich sagte immer noch nichts.
»Wenn wir uns nicht Ihrer absoluten Loyalität und fraglosen Zusammenarbeit sicher sein können, sind Sie für uns wertlos. Ja, Sie sind wertlos für mich .« Ich konnte die Intensität seines Blickes durch die getönten Brillengläsern hindurch spüren.
»Was wollen Sie von mir?«
»Wir haben nicht viel Zeit. Hier also die Bedingungen, Mr. Ledger: Wir sehen uns gezwungen, ein neues taktisches Team auf die Beine zu stellen – und zwar so schnell wie möglich. Das ist weder ein Job für das normale Militär noch für unsere üblichen Spezialeinheiten. Die Gründe dafür können wir später besprechen. Major Courtland hier untersteht ein einsatzbereites Team. Eine andere Truppe ist aufgrund einer ähnlich wichtigen Begebenheit an der Pazifikküste unterwegs. Aber ein einziges Team vor Ort ist nicht ausreichend. Ich brauche ein weiteres Team. Es muss professionell sein und sofort zur Verfügung stehen. Außerdem
brauche ich einen Teamleiter, der die Leute durch die Einsätze bringt. Auf der engeren Auswahlliste stehen sechs Namen. Ihrer ist darunter.«
»Das ist echt fantastisch. Aber was hat das alles mit Rudy Sanchez zu tun?«
»Ich will, dass Sie mir versprechen, uns beizutreten und einer von uns zu werden. Und nicht ein unberechenbarer Außenseiter. Sie gehören entweder zum DMS oder Sie tun es nicht.«
»Und wie lautet die Alternative? Sie töten Rudy?«
Church blickte Courtland an, die erneut auf einen Knopf drückte. »Gus? Lösen Sie bitte Dr. Sanchez’ Fesseln. Bringen Sie ihm ein Sandwich, und leisten Sie ihm Gesellschaft.« Dann schaltete sie den Monitor aus.
Ich wandte mich wieder Church zu. »Warum dieses Affentheater?«
»Um Ihnen die Lage klarzumachen. Wenn ich mehr Zeit gehabt hätte, befänden sich Ihr Vater, sein Bruder samt Frau, Ihr Neffe und selbst Ihr Kater hier in Gewahrsam.«
»Ich bin wirklich nicht weit davon entfernt, Ihnen eine Kugel in die Birne zu jagen«, knurrte ich.
Er beugte sich über dem Tisch. »Na und? Dr. Sanchez befindet sich hier, weil Sie gegen die Sicherheitsmaßnahmen verstoßen haben. Wie wir damit umgehen, hat herzlich wenig mit Ihnen zu tun. Fürs Erste sollten wir jedoch aufhören, um den heißen Brei herumzureden, und uns auf das Wesentliche konzentrieren.«
»Dann tun Sie das endlich – verdammt nochmal!«
»Ich habe Ihnen bereits mitgeteilt, was ich brauche.«
»Einen Teamleader?«
Er nickte. »Das Training des neuen Teams sollte schon heute beginnen. Wenn wir Glück haben, muss es erst in einer Woche einsatzbereit sein. Sollte sich aber die Sachlage verschärfen, werden aus Tagen im Handumdrehen Stunden. Ich habe also keine Zeit, Ihnen Honig ums Maul
zu schmieren, Ihr Ego aufzupäppeln oder an Ihren Patriotismus zu appellieren, Mr. Ledger.«
»Also schüchtern Sie mich stattdessen ein?«
»Eine Apokalypse ist ein eher abstraktes und unwirkliches Konzept. Der plötzliche Verlust von allem, was einem lieb ist, aber nicht. Zeit steht nicht auf unserer Seite.«
»Wollen Sie behaupten, dass es mehr von diesen Wiedergängern gibt?«
»Sie haben es erraten.« Obwohl ich diese Antwort erwartet hatte, traf sie mich wie ein Schlag. »Wir haben das Problem nicht im Griff, Mr. Ledger, sondern es höchstens um ein paar Tage verzögert.«
»Das hätten Sie schon längst wissen können. Ist doch logisch, dass …«
»Es ist durchaus logisch, aber mehr als Logik hatten wir nicht. Unsere Entschlüsselungsexperten waren Tag und Nacht damit beschäftigt, die Standorte weiterer Zellen ausfindig zu machen. Einen Ort haben wir dank des Lasters umstellt, dem wir gefolgt sind. Noch haben wir es nicht gewagt, die Zelle auszuheben. Schließlich ist es nicht unsere Absicht, weitere Zellen in Panik zu versetzen und sie aufzuscheuchen. Eine falsche Bewegung und sie könnten unauffindbar untertauchen. Oder sie würden die anderen Monster sofort freilassen. Weder die eine noch die andere
Weitere Kostenlose Bücher