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Patient Null

Titel: Patient Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Maberry
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Dienstag, 30. Juni / 14:26 Uhr
     
    Es dauerte zwanzig Minuten bis zum Hafen. Ich war nicht gerade bester Dinge.
    Als ich in die Zufahrt zur Lagerhalle einbog, hielt ich an und sondierte die Gegend. Hier hatte sich so einiges während der letzten Tage verändert. Zum einen gab es eine neue Hochsicherheitstür, die noch nicht da gewesen war, als wir die Halle hochgenommen hatten. Zum anderen war da der Maschendrahtzaun mit Stacheldrahtspulen auf seinem oberen Rand. Zudem gab es einen weiteren, auf den ersten Blick recht harmlos aussehenden Zaun. Ich hätte ihn allerdings nicht anfassen wollen, denn an ihm hing ein Schild mit den Worten: GEFAHR – HOCHSPANNUNG. Vier bis an die Zähne bewaffnete Sicherheitsleute schnüffelten auf dem Gelände herum. Sie trugen alle eine Uniform, die nichts mit dem Militär zu tun hatte. So sollte wohl der Eindruck entstehen, dass es sich hier um irgendein x-beliebiges Sicherheitsunternehmen handelte. Mir jedoch konnten sie nichts vormachen. Die Kerle rochen förmlich nach gut ausgebildeten Soldaten. Es gab eine Art von Training, das man nicht einmal hinter billigen Polyester-Sportjacken und Khaki-Hosen verbergen kann.
    Ich muss zugeben, dass ich einen Moment lang mit dem Gedanken spielte, einfach hineinzumarschieren, diesen Typen das Licht auszuknipsen und Church zu zeigen, mit wem er es zu tun hatte … Aber ich entschied mich dagegen. Es war kein schlechter Ansatz, aber die Folgen wären vermutlich weder für mich noch für Rudy angenehm
gewesen. Also fuhr ich bis zur Schranke des Grundstücks und gab den Kerlen die Chance, sich meine Visage einzuprägen.
    »Ihren Ausweis, Sir.«
    Ich benahm mich vorbildlich und zeigte Ausweis und Polizeiplakette. Der Mann bemühte sich kaum, genau hinzusehen, schließlich wusste er ohnehin, mit wem er es zu tun hatte. Er winkte mich also durch und wies mich an, in der Nähe des Lieferanteneingangs zu parken. Ich folgte seiner Anweisung. Im Seitenspiegel konnte ich einen weiteren Sicherheitsheini erspähen, der das Dach kontrollierte. Ich stieg aus und schlenderte lässig zur Eingangstür. Verstohlen warf ich einen Blick auf die neu installierten Geräte. Da gab es zum Beispiel eine winzige Überwachungskamera über der Tür und ein neues Kartenschloss.
    Die Tür öffnete sich wie von Geisterhand, ehe ich anklopfen konnte. Im Inneren der Halle sah ich mich einer der hübschesten Frauen gegenüber, die mir jemals über den Weg gelaufen waren: braune Augen mit goldenen Flecken in der Iris; eine Figur zum Dahinschmelzen, durchtrainiert und straff, wo sie straff sein sollte, und weich, wo es weich sein sollte. Sie hatte kurzgeschnittene Haare, eine schwarze Armeehose und ein graues T-Shirt ohne Aufdruck. Ich suchte vergebens nach den Lettern DMS oder etwas Ähnlichem. Es gab auch keinerlei Abzeichen, das ihren Rang angezeigt hätte. Aber sie machte den Eindruck, als ob sie wichtig war. Außerdem hing eine Sig Sauer in einem Halfter um ihre Schultern, dessen Griff von steter Benutzung ganz abgewetzt war.
    »Danke, dass Sie gekommen sind, Detective Ledger«, begrüßte sie mich mit einem Londoner Akzent. Ihr Gesicht wirkte erschöpft, und ihre Augen waren gerötet, als ob sie geweint hätte. Das konnte natürlich auch an einer Allergie liegen, aber unter den gegebenen Umständen nahm ich das eigentlich nicht an. Ich wunderte mich, was sie derart
aufgewühlt haben mochte. Konnte es sich um dieselbe Sache handeln, wegen der mich Church so freundlich eingeladen hatte? Egal, was es war – es bedurfte keines Genies, um zu erkennen, dass es nichts Gutes sein konnte.
    Die Frau stellte sich nicht vor. Sie salutierte auch nicht oder machte irgendwelche Anstalten, mir die Hand zu schütteln. Auch bat sie mich nicht, ihr meine Knarre zu übergeben.
    Also sagte ich nur: »Mr. Church?«
    »Er wartet bereits auf Sie.«
    Sie führte mich durch eine Anzahl kurzer Flure zu demselben Konferenzzimmer, in dem mein Team auf die Gruppe schießwütiger Terroristen gestoßen war. Der blaue Container war inzwischen natürlich verschwunden, und der Tisch, der nach dem Gemetzel einem Schweizer Käse geglichen hatte, war durch mehrere dieser 08/15-Tische ersetzt worden, wie man sie in jeder Behörde fand. Auf einigen standen Rechner, und ein riesiger Plasmafernseher füllte den größten Teil einer Wand. Trotz der Veränderungen fühlte ich mich nicht wohl in diesem Zimmer. Ich konnte noch immer den Bluterguss an meinem Unterarm spüren, wo Javad versucht hatte, mich zu beißen. Ich

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