Patient Null

Wir sind so auf diverse Indizien gestoßen, die auf den Erwerb bestimmter Materialien, Ausrüstung und Fachpersonal hinweisen. Mit diesen drei Komponenten ist man in der Lage, ein Biowaffenlabor aus dem Boden zu stampfen, das die meisten Regierungslabore in den Schatten stellen würde. Ein Labor, das in der Lage ist, biologische Wirkungsmittel zu erschaffen und zu einer Waffe weiterzuentwickeln.«
    »Ich dachte, dass derartige Materialien kontrolliert wären? Wie haben die das geschafft?«

    Sie warf mir einen fragenden Blick zu. »Wie hätten Sie es gemacht?«
    »Von welchem Land sprechen wir?«
    »Der Terrorismus ist eine Ideologie, die sich herzlich wenig um nationale Grenzen kümmert. Nehmen wir an, Sie wären Mitglied einer kleinen Gruppe, die in einem x-beliebigen Land im Mittleren Osten untergeschlüpft ist. Die Landesregierung muss dabei nicht zwingend einverstanden sein. Ihre Gruppe besteht aus einem bunt zusammengewürfelten Haufen Separatisten diverser extremer Splittergruppen.«
    Ich überlegte. »Also gut … Zuerst müsste man sich im Klaren sein, dass alles, was man zur Fertigung konventioneller Waffen benötigt, auf der Liste kontrollierter Apparate und Materialien steht. Es ist also ein Ding der Unmöglichkeit, einfach in die nächste Apotheke zu stiefeln und sich eine Ampulle Anthrax zu holen. Man müsste sich mehrere kleinere Mengen über ein Netzwerk von Mittelmännern beschaffen, so dass nirgendwo die Alarmglocken läuten. Das dauert und ist zudem ein teures Unterfangen. Verschwiegenheit will gekauft sein. Ich würde ein bisschen in diesem Land kaufen, ein bisschen im nächsten. Sie wissen schon, um die Sache so undurchsichtig wie möglich zu machen. Am besten wäre natürlich gebrauchtes Material. Oder alles in seine Einzelteile zerlegen und diese organisieren, um sie später zusammenzubrauen oder zu bauen. Das gilt insbesondere für Hardware. Dann würde ich sie an verschiedene Häfen ausliefern lassen – dort, wo die Behörden nicht ganz so scharf sind. Natürlich dürfen auch einige Scheinfirmen nicht fehlen, um die Materialien von A nach B nach C weiterzuleiten. Der ganze Aufwand ist wieder mit viel Zeit und Geld verbunden.«
    Sie lächelte zufrieden. »Fahren Sie fort.«
    »Dann bräuchte ich ein Labor, Testeinrichtungen, eine Werkstätte, am besten an einem Ort, an dem ich mich gut
verstecken kann. So etwas eignet sich nicht für ständige Ortswechsel. Ich bräuchte eine Räuberhöhle. Sobald ich diese hätte und die nötige Zeit verstrichen ist, bis ich meine Waffe entwickelt habe, müsste ich mich darum kümmern, wie ich sie vom Labor zu ihrem Bestimmungsort transportieren kann. Wenn wir es mit so komplexen Dingen wie einer Seuche oder einem neuen Parasiten zu tun haben, dann ist alles noch komplizierter, weil wir Zugang zu Supercomputern, ultrasterilen Labors und einem Haufen medizinischer Ausrüstung brauchen.«
    »Perfekt«, meinte Grace Courtland. »Mr. Church würde Ihnen jetzt wohl als Belohnung einen Keks reichen. MindReader fand heraus, dass sich ein gewisser Jemand eine biologische Forschungseinrichtung zusammenbasteln könnte – aus Einzelstücken, wie Sie suggerierten. Wir hatten es mit Kleinstmengen zu tun, so dass niemand etwas davon erfahren würde. Es war offensichtlich mit größter Sorgfalt geplant. Natürlich dauerte es eine Weile, ehe wir darauf aufmerksam wurden, denn solche Resultate hatten wir ursprünglich gar nicht in Erwägung gezogen. Ohne MindReader hätten wir nie etwas davon erfahren. Sämtliche Materialien wurden von Ländern aus bestellt, die große Ernteausfälle und Verluste in den Viehbestand aufgrund von Seuchen oder sonstigen Katastrophen erlitten hatten. Jeder vernünftige Mensch hätte eins und eins zusammengezählt und gedacht, dass diese Länder ihr Möglichstes tun, um sich aus der Misere zu helfen, um ihren Leuten neue Hoffnung zu geben.«
    »War zufälligerweise Rinderwahn dabei?«, fragte ich.
    »Volltreffer. Außer Indien und einer Handvoll anderer Staaten hängt fast jedes Land von der Viehproduktion ab. Der Rinderwahn war für die Notschlachtung von Millionen von Vieh und den damit verbundenen wirtschaft lichen Schäden in Milliardenhöhe verantwortlich. Es ist daher nicht überraschend, dass arme Länder nach Lösungen
suchten und alles dafür geben würden, derartig gravierende Verluste in Zukunft zu vermeiden.«
    »Wie ich das sehe, hätten Ihre Leute die Lagerhalle schon viel früher hochnehmen sollen.« Ich bemerkte, wie sie meinem