Patient Null
Jeder Mann, jede Frau, jedes Kind musste daran glauben. Und jeder Körper wies Bissspuren auf.«
»Soll das heißen, dass sich alle dieser Dorfbewohner in Wiedergänger verwandelt haben?«
»Nein«, meinte Courtland. »Jeder Dorfbewohner erhielt mindestens drei oder vier Kopfschüsse. Intakte Leichen wurden nicht gefunden.«
»Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?«, wollte Church wissen.
»Mein Gott«, murmelte ich entsetzt. »Die Isolation, das Aufräumen danach … Hört sich ganz danach an, als ob jemand ein Testprogramm für diese Wiedergänger durchführen würde.«
»Das Testprogramm, wie Sie es nennen, fand vor fünf Tagen statt«, sagte Courtland.
»Okay …«
»Diesmal wurde sogar eine Art Visitenkarte hinterlassen. Ein Video des Massakers und eine Nachricht von einem vermummten Mann. Wir führen gerade Stimmerkennungstests durch, aber ich glaube, wir haben es hier mit El Mudschahid oder einem seiner Leutnants zu tun.«
»Die letzte dieser Attacken fand in einem kleinen Dorf namens Bitar im Norden Afghanistans statt«, erklärte Courtland. »Das Militär erhielt einen Hinweis, dass dort etwas passieren würde. Leider trafen sie erst Stunden nach der Attacke ein. Sie fanden ein Video, das gut sichtbar auf einer der Leichen hinterlassen worden war. Barrier hat es gerade noch abgefangen, sonst wäre es mittlerweile vermutlich auf YouTube zu sehen.«
»Falls Sie mitmachen«, meinte Church, »dann sollten Sie sich als Erstes mit aller Dringlichkeit auf die Infiltration der Krebsfabrik in Crisfield vorbereiten. Sie sind der Leiter des Echo-Teams, und Sie und Ihr Team werden einer Unzahl von Gefahren ausgesetzt sein. Ich will es nicht schönreden. Ich habe Sie an Bord geholt, weil ich eine Waffe brauche. Eine denkende Waffe. Etwas, das ich auf solche Leute loslassen kann, die Javad und ähnliche Monster auf die amerikanische Bevölkerung loslassen wollen.« Er hielt einen Moment inne. »Die einzigen Personen, die einem Wiedergänger begegnet und noch am Leben sind, befinden sich in diesem Raum. Also frage ich Sie, Mr. Ledger«, fügte er leise und eindringlich hinzu, »sind Sie mit von der Partie?«
Ich spürte, wie sich meine Kehle zusammenschnürte. Eigentlich wäre ich am liebsten geflohen, aber stattdessen antwortete ich mühsam: »Sie können sich auf mich verlassen.«
Church schloss einen Moment lang die Augen und seufzte erleichtert. Er stand regungslos da, den Blick auf den Boden gerichtet. Als er die Augen wieder öffnete, sah er um zehn Jahre gealtert aus. Aber auch um vieles gefährlicher.
»Gut, dann also an die Arbeit.«
32
Feldlazarett der britischen Armee in Camp Bastion / Helmand-Provinz, Afghanistan Fünf Tage zuvor
Von allen in Afghanistan im Einsatz befindlichen Einheiten hatte die Sechzehnte Air Assault Brigade die heftigsten Verluste erlitten. Es kamen immer wieder Soldaten hinzu. Frische Bataillone traten für solche mit großen Verlusten oder für solche ein, die schon zu lange unter der unbarmherzigen
irakischen Sonne bei Temperaturen bis zu fünfundvierzig Grad gedient hatten. Verletzte Soldaten – Briten, Amerikaner und andere Alliierte – trafen mit unheilvoller Regelmäßigkeit im Feldlazarett ein. Die Sichtung der Kranken – ein schwieriger Prozess, durch den bei Massenverletzungen die knapp bemessenen medizinischen Mittel aufgeteilt werden mussten – hatte sich von einer Ausnahmesituation zum Normalfall entwickelt. Es mussten Verletzte versorgt, die schlimmsten Fälle stabilisiert, die Identität festgestellt und die Menschen dann in Krankenhäuser um den Golf verteilt werden. Leichtere Fälle wurden mit Helikoptern oder medizinisch ausgestatteten Panzerfahrzeugen auf andere Basen verteilt, wo sie so lange blieben, bis sie wieder einsatzbereit waren. Seit 2007 hat die britische Regierung ihre Präsenz im Irak kontinuierlich heruntergeschraubt. Es machte also Sinn, dieselben erfahrenen Kräfte einzusetzen, anstatt das Leben neuer, unerfahrener Truppen aufs Spiel zu setzen.
Die ernsten Fälle wurden früher oder später nach Hause ins »Royal Centre for Defence Medicine« im Birminghamer »Selly Oak Hospital« befördert. Viele endeten bei der britischen Organisation für Ex-Soldaten, die im Einsatz ihre Gliedmaßen verloren hatten. Zumindest setzte sich das Centre für sie ein und sah zu, dass sie ihre Schwerbeschädigten-Rente erhielten. Es half ihnen bei der Reha-Suche und – so weit das überhaupt möglich war – bei der Wiedereingliederung in ein normales
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