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Patient Null

Titel: Patient Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Maberry
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Kumpel unsanft in den Nacken, so dass er gar nicht erst hochkommen konnte. Einmal zuckte er noch, dann herrschte auch hier Ruhe.
    Außer Atem lehnte ich mich gegen den Käfig und legte ein neues Magazin ein. Es war mein letztes. In der Halle war noch immer die Hölle los. Aber jeder meiner Männer hatte inzwischen eine Verteidigungsposition eingenommen. Hinter Top und Bunny drängten sich mindestens zehn Kinder. Die beiden standen Schulter an Schulter und zielten ohne Fehlschuss auf Wiedergänger, Assistenten und Wachen. Auf der anderen Seite befand sich Skip Tyler mit sechs Kleinen in seinem Rücken, die hinter einer Reihe von Labortischen und Containern Deckung gefunden hatten. Vor ihm lagen zahlreiche Leichen. Ollie war in der Nähe des Eingangs und erledigte gnadenlos jeden, der die Flucht ergreifen wollte.

    In der Mitte befanden sich noch circa ein halbes Dutzend Wiedergänger, einige Wachen und Kinder. Allesamt waren sie blutverschmiert, und jetzt wusste ich, warum keiner meiner Crew sich der Kinder angenommen hatte. Es war unmöglich festzustellen, ob sie infiziert waren oder nicht.
    Ich hatte noch zwölf Salven übrig, und es gab sechs Kinder, die noch nicht in Sicherheit waren. Mir blieb keine andere Wahl. Ich musste es versuchen.
    Also stürmte ich erneut los und schoss. Um mich herum gingen Wachen und Wiedergänger zu Boden. Eines der Kinder rannte mir entgegen, und ich kniete mich nieder, um es auf die Schultern zu nehmen. Als der Junge allerdings drei Meter von mir entfernt war, sah ich in seine leeren Augen. Er hatte den Mund aufgerissen und fletschte seine Zähne. Es war derselbe Kleine, der sich zuvor an mir festgehalten hatte.
    »Gütiger Himmel«, flüsterte ich. Mein Rachen brannte, als ob ich heiße Asche geschluckt hätte. Dann drückte ich ab.
    Für einen Moment herrschte eine seltsame Stille. Der Junge wurde von der Kugel nach hinten geschleudert und schlitterte noch ein Stück über den Boden, ehe er liegen blieb. Ich spürte, wie alle Augen auf mich gerichtet waren. Die Kinder hinter meinen Männern fingen zu wimmern an und brachen dann in lautes Heulen aus.
    Dann fing ein weiteres Kind in der Mitte der Halle zu fauchen an und rannte mit gefletschten Zähnen auf Skips Gruppe zu.
    Wieder hagelte es Kugeln.
    Als der Kugelhagel aufhörte, herrschte für einen Moment völlige Stille. Nichts bewegte sich außer einer weißen Rauchwolke, die langsam zur Decke stieg.
    Ich stand am Rand des Gemetzels, die Pistole noch immer erhoben. In meinem Magazin steckte nur noch eine
einzige Kugel. In meinen Ohren dröhnte es. Ich war mir nicht sicher, ob es der Widerhall der Schüsse oder aber das Pochen meines eigenen Herzens war.
    Während mir allmählich dämmerte, was wir gerade getan hatten, senkte ich langsam die Waffe.

44
    Claymont, Delaware Dienstag, 30. Juni / 18:35 Uhr
     
    Ich schüttelte mich.
    Hinter mir befand sich ein umgeworfener Tisch. Ich lehnte mich dagegen und sah mich um. Eine Dunstwolke aus Schießpulver hing über uns in der kalten feuchten Luft, und die Kinder hörten nicht auf zu weinen. Meine Männer sahen fast alle ziemlich mitgenommen aus. Nur Ollie Browns Gesicht war ausdruckslos. Er hätte es mit Church aufnehmen können. Skip sah so als, als müsste er sich jeden Moment übergeben, während Bunnys und Tops Mienen vor Wut verzerrt waren.
    Ich wollte gar nicht erst wissen, wie ich aussah. Vielleicht spiegelte sich auch auf meinem Gesicht der Schock wider, den ich verspürte. Höchstwahrscheinlich auch die Angst. Hundertprozentig aber das Entsetzen, das ich bei dem Gedanken empfand, was man mit den Kindern vorgehabt hatte und was ich selbst getan hatte. Ich fühlte mich beschmutzt.
    Fünf Minuten zuvor hatten sich noch Dutzende von Menschen in dieser Halle befunden. Nun waren die meisten tot. Ich hatte mindestens ein Viertel von ihnen auf dem Gewissen. Es waren so viele gewesen, dass ich mit dem Zählen nicht mehr nachgekommen war. Diese Tatsache allein traf mich wie ein Hieb in die Magengrube. Es war natürlich nicht das erste Mal gewesen, dass ich getötet hatte.
Aber was hier geschehen war, ließ sich mit nichts vergleichen, was ich bisher erlebt hatte. Es war um ein vieles schlimmer. Schlimmer als der schlimmste Einsatz, den ich jemals mit meinen Einsatzgruppen erlebt hatte. Und ein Teil meiner Schuldgefühle rührte daher, dass sich der Krieger in mir insgeheim triumphierend auf die Brust schlug, während der zivilisiertere Teil meines Ichs vor Scham und Schuld im Boden

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