Patient Null
Ich wischte die Klinge ab und steckte mein Messer wieder in seine Scheide. Dann nahm ich die Pistole aus dem Halfter und entsicherte sie.
Jede Containerreihe bestand aus vier Behältern. Sie waren so dicht aneinandergestellt, dass sie den Zugang zur nächsten Tür verschlossen. Außerdem standen sie zwischen uns und dem, was sich sonst noch in dieser Halle befand. Ich nahm Top den Zahnarztspiegel ab und sah mich um. Zu unserer Rechten konnte ich einen Korridor ausmachen, der von zwei weiteren Reihen von Boxen gesäumt war, die in einem rechten Winkel zu unserer Reihe standen. Zudem konnte ich einige Labortische erkennen, auf denen Instrumente lagen. Außerdem entdeckte ich noch einen Wachmann und sechs Leute in schmutzigen weißen Kitteln. Alle starrten durch einen Spalt auf die Mitte der Halle und was dort geschah.
Ich zog mich zurück und benutzte den Spiegel, um unsere linke Flanke zu kontrollieren. Sechs Meter von uns entfernt standen zwei Wachen Schulter an Schulter. Auch sie konnten die Augen nicht von der Mitte der Halle abwenden. Was geschah dort? Ich neigte den Spiegel so weit, bis ich erkennen konnte, was sie derart in Bann zog. Und was ich sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.
Die Halle war größer, als ich gedacht hatte. Sie war so groß wie eine Schulaula mit einer hohen Decke und verschmutzten Lamellenfenstern. Am anderen Ende stand
eine dritte Reihe blauer Container, während linker Hand an der Mauer weitere Labortische aufgereiht waren. In der Mitte befanden sich mindestens ein halbes Dutzend bewaffneter Wachen, allesamt mit automatischen Gewehren bewaffnet. Dazu kamen noch vier weitere Männer in weißen Kitteln. In der linken Ecke jedoch stand ein Riesenkäfig aus Stahl, der mit dem dicksten Maschendrahtzaun umwickelt war, den ich jemals gesehen hatte. Bei zehn der blauen Boxen waren die Türen geöffnet, und drei Wachen mit elektrischen Viehtreibern trieben wütend knurrende, torkelnde Wiedergänger in den Käfig.
Der Käfig war bereits übervoll – und zwar mit Kindern.
42
Claymont, Delaware Dienstag, 30. Juni / 18:26 Uhr
Die Kinder versuchten, sich in eine Ecke zu drängen. Ihre Augen waren weit aufgerissen, ihre Lippen zitterten. Manche weinten, gaben aber keinen Ton von sich. Ob sie die näher kommenden Wiedergänger so entsetzten oder die Drohungen der Wachen, endlich Ruhe zu geben, war nicht klar.
Ich zog mich zurück und reichte den Spiegel weiter. Jeder meiner Männer sollte sich das Schauspiel ansehen, um zu wissen, was auf uns zukam.
Ich formte das Wort »Gefangene« mit den Lippen, war aber nicht sicher, ob meine Truppe momentan überhaupt einen klaren Gedanken fassen konnte. Top, der einzige unter uns, der selbst Kinder hatte, zeigte einen Gesichtsausdruck, der nichts Gutes verhieß.
Ich streckte drei Finger in die Luft, und alle machten sich startbereit – Ollie und Skip nahmen die linke Flanke, Bunny und Top waren bei mir. Ich zählte schnell.
»Los!«, knurrte ich.
43
Claymont, Delaware Dienstag, 30. Juni / 18:27 Uhr
Bunny eröffnete das Feuer mit seiner Flinte, und die beiden uns am nächsten stehenden Wachen verwandelten sich in Sekundenschnelle in blutrote zerfetzte Gliedmaßen. Top stellte zuerst zwei der Laborassistenten kalt, ehe er sich auf die Gruppe der Wachleute konzentrierte. Ich hörte Schüsse und Schreie, als Ollie und Skip die anderen Wachen zu unserer Linken hochnahmen. Ohne nachzudenken, rannte ich vorwärts, die Pistole erhoben, und legte auf den Kerl am Käfig an. Ein Weitschuss. Wenn ich danebentraf, konnte ich eines der Kinder erwischen. Aber mir blieb keine andere Wahl – die Wiedergänger waren nur noch wenige Meter entfernt. Mein Schuss traf den Mann mitten im Mund. Er knallte gegen den Maschendrahtzaun und ging zu Boden, die Finger noch um den Hahn seiner Waffe gekrallt. Im gleichen Augenblick öffnete sich die Käfigtür.
Die Wachen mit den Viehtreibern drehten sich erst jetzt zu uns um. Zwei ließen ihre Apparate fallen und griffen nach ihren Waffen. Einen erwischte ich gleich zweimal in der Brust und richtete meine Pistole dann sofort auf den anderen, war aber zu langsam. Einer der Wiedergänger hatte sich auf ihn geworfen und vergrub seine Zähne in dessen Kehle. Zusammen stürzten sie zu Boden. Ich erschoss den letzten Wachmann, der nicht so recht wusste, wie er sich verhalten sollte und deshalb zögerte. Sollte er den Viehtreiber in die Ecke werfen und sich um uns kümmern oder versuchen, die Wiedergänger unter
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