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Patient Null

Titel: Patient Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Maberry
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weckte Amirah, und für einen kurzen Augenblick wusste sie nicht, wo sie sich befand. Ein ungreifbarer Fetzen eines Traums schwebte für einen Moment vor ihrem inneren Auge. Obwohl sie sich nicht sicher war, glaubte sie das Gesicht eines Mannes vor sich gesehen zu haben – vielleicht das von Gault oder auch das
von El Mudschahid. Es war schweißgebadet und rot angelaufen gewesen und hatte sie aus starren Augen angestarrt, während der Mann ächzend in sie gefahren war. Es war kein erotischer Traum gewesen. Eher wie der Traum einer seltsam gleichgültigen Vergewaltigung. Das Einprägsamste war jedoch nicht der Mann gewesen, sondern die schreckliche, alles erfassende Kälte, die mit jedem Stoß in sie gedrungen war. Fast so als ob der Mann tot gewesen wäre und keine Körperwärme mehr gehabt hätte.
    Amirah schüttelte sich und starrte gedankenverloren auf das noch immer klingelnde Telefon auf ihrem Schreibtisch. Sie blickte sich in ihrem Büro um. Es war leer. Auf der anderen Seite des Spiegelglases konnte sie die Arbeiter im Labor sehen. Sie räusperte sich, nahm den Hörer ab und antwortete.
    »Leitung?«
    »Sicher«, sagte sie automatisch, ehe sie den Knopf des Scramblers drückte. »Jetzt ist sie sicher«, korrigierte sie sich.
    »Er ist unterwegs.« Gaults Stimme klang sanft. In diesen drei Worten glaubte Amirah mehrere Bedeutungsschichten heraushören zu können, wie sie das bei allem tat, was Gault von sich gab.
    »Wie geht es ihm?«
    »Nicht mehr so hübsch.«
    Amirah lachte. »Das ist er noch nie gewesen!«
    »Dann eben gut aussehend«, verbesserte sich Gault.
    »Hat er … Hat er Schmerzen?«
    »Ja. Aber die hält ein Mann wie er aus. Er ist ausgesprochen stoisch veranlagt, dein Mann. Ich glaube, er würde selbst eine Kugel in seiner Brust als unwichtig abtun. Ich kenne nur wenige Männer, die so etwas können.«
    »Er ist ein Untier«, meinte Amirah und ließ etwas Abscheu in ihrer Stimme mitklingen.

    Einen Augenblick herrschte Schweigen am anderen Ende, als ob Gault die Betonung ihrer Worte abzuwägen schien. Ahnt er etwas?, dachte sie und das nicht zum ersten Mal.
    »Er kann sich auf der Reise ausruhen. Schließlich wird er seine Kräfte noch brauchen. Wir haben ihn mit genügend Medikamenten ausgestattet, um den Schmerz unter Kontrolle zu halten. Seien wir doch einmal ehrlich: Stoizismus funktioniert nur, wenn man genügend Bewunderer um sich hat. Wir wollen schließlich nicht, dass er in seiner kleinen Kabine der Hoffnungslosigkeit frönt.«
    Amirah antwortete nicht. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn sie es getan hätte. Aber das Bild des mächtigen El Mudschahid allein unter Schmerzen leidend in einem Container auf einem Frachtschiff war einfach unwiderstehlich.
    Als ob Gault ihre Gedanken lesen könnte, unterbrach er die Stille mit den Worten: »Mach dir keine Sorgen, mein Täubchen. Sowohl der Kapitän als auch der Schiffschirurg gehorchen mir aufs Wort.«
    »Ich mache mir keine Sorgen, Sebastian. Ich hoffe nur, dass seine Wunden nicht verheilen. Wir wollen schließlich, dass er für diese Mission in Topform ist.« Sie benutzte das Wort »Mission« absichtlich, denn sie hatte sich schon einmal einen Fehltritt geleistet und stattdessen »unsere Sache« gesagt. Sie war sich nicht sicher, ob Gault diesen Fehler bemerkt hatte, wahrscheinlich schon. Gault entging so gut wie nichts.
    »Selbstverständlich«, erwiderte er. »Alles ist in bester Ordnung. Es wird alles genauso laufen, wie wir es geplant haben. Es wird keine Ausrutscher geben, das kannst du mir glauben. Vertraue mir.«
    »Das tue ich«, versicherte sie und ließ ein wenig Wärme in ihrer Stimme anklingen. »Ich vertraue dir völlig.«
    »Liebst du mich?«, fragte er mit einem Lächeln in der Stimme.

    »Das weißt du doch.«
    »Ich werde dich immer lieben«, sagte er und legte auf. Amirah lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und starrte nachdenklich auf das Telefon, die Lippen aufeinandergepresst, die Kiefermuskeln angespannt. Sie blieb einige Minuten lang sitzen und dachte nach. Dann öffnete sie die unterste Schublade ihres Schreibtisches und holte ein Satellitentelefon hervor. Es war klein, teuer und neu. Ein Geschenk Gaults. Es besaß eine große Reichweite. Außerdem waren Signalverstärker in die Betondecke des Bunkers eingelassen, so dass ihr Anruf ins Weltall hinaus und wieder zurück an jeden nur denkbaren Ort des Planeten gelenkt werden konnte – bis zu einem Helikopter, der sich gerade auf dem Weg befand, um ein

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