Patricia - Der Kuss des Vampirs
das in der Bibliothek hing. Und damit natürlich auch Churtham.
»Weshalb sollte er ausgerechnet den Schlossherrn als Modell genommen haben?«, fragte sie erstaunt.
»Der damalige Earl of Barlem war … nun, im Land nicht gerade beliebt. Er war eines Tages da, niemand wusste, woher er kam. Aber er hatte einen sehr schlechten Ruf, dem er auch nur zu gerecht geworden sein soll. Ich weiß das natürlich nur aus einer alten Chronik, die meine Vorgänger geführt haben. Das Bild stammt aus der Zeit, wo Oliver Cromwells Leute das Land von Andersdenkenden säuberten. Auch Dunster Castle ist von Ihnen geschliffen worden. Unser Dorf jedoch und das Schloss blieben wie durch ein Wunder verschont.« Er blickte nachdenklich auf das Bild, »Vielleicht hat ihn der Künstler deshalb nicht als Teufel gemalt, sondern nur als Engel der Finsternis, weil er sich ganz alleine den Truppen entgegengestellt und sie von seinem Land verjagt haben soll. Barlem Village war eines der wenigen Dörfer, die damals nicht so stark unter den puritanischen Einfluss gekommen sind.«
»Was ist aus ihm geworden?«
»In der Chronik steht, dass er eines Tages verschwunden ist. Die Leute haben gemunkelt, dass ihn der Teufel geholt hat.« Er lachte, »Ich sollte dem ja nicht widersprechen, aber ich denke, er ist wohl eher von irgendjemandem aus Rache ermordet worden.«
Pat spürte den bekannten kleinen Schauder über ihren Rücken wandern. Natürlich, Lord Churtham hatte doch eine ähnliche Bemerkung über seinen Ahnen gemacht. Er wäre eines von jenen Geschöpfen gewesen, die nicht einmal die Hölle hatte haben wollen. »Zu wenig Licht«, murmelte sie plötzlich.
Pastor Soames sah sie erstaunt an. »Wie bitte?«
Sie zuckte verlegen mit den Schultern. »Nichts weiter, ich habe nur an etwas gedacht.« Sie reichte dem Pastor die Hand. »Ich glaube, es wird Zeit, dass ich mich verabschiede, ich habe noch einen weiten Rückweg.«
Mr. Soames sah sie besorgt an. »Es wird bald dämmern, Miss Smith, Sie sollten nicht alleine unterwegs sein.«
»Gibt es hier etwa Räuber?«, fragte sie lächelnd.
»Nein, keine Räuber, aber…«, er zögerte, »die Gegend ist seit einiger Zeit etwas unsicher geworden. Ich würde Sie ja selbst begleiten, aber ich muss noch einen Krankenbesuch machen. Sie sollten aber hier bei mir warten, ich schicke einen Burschen ins Schloss hinauf, damit man die Kutsche bringt.«
»Das wird nicht nötig sein, vielen Dank«, sagte Pat selbstbewusst. Sie warf noch einen letzten Blick auf das Gemälde, entschlossen, dieser faszinierenden Geschichte ein anderes Mal nachzugehen, und trat wieder hinaus auf die Straße. Sie hatte nicht die geringste Absicht, sich Simmons‹ indigniertem Gesichtsausdruck auszusetzen, nur weil sie sich verspätet hatte und nun zu feig war alleine heimzugehen.
Als sie die Tür hinter sich schloss, stand wie aus dem Boden gewachsen ihre seltsame alte Bekannte vor ihr. Pat, die wenig Lust hatte, das unheimliche Gespräch fortzusetzen, wollte mit einem freundlichen Gruß weitergehen, aber die alte Frau hielt sie auf. »Die Kirche ist ein guter, sicherer Ort. Man sagt, Vampire können das Portal einer Kirche nicht durchschreiten, sonst würden sie auf der Stelle zu Staub zerfallen.« Sie sah sich bei diesen Worten um, als würde sie jeden Moment erwarten, dass einer der Schlossbewohner hinter einer Hausmauer hervorsprang und ihr Leben forderte.
»Wie bitte?«, fragte Pat verblüfft.
Die Alte musterte sie aus von vielen kleinen Falten umgebenen, aber überraschend klaren Augen. »Sagen Sie nicht, dass Sie noch nichts bemerkt haben, Kindchen.«
»Was denn bemerkt?« Pat runzelte die Stirn und trat einen Schritt zurück. Die alte Frau war gekleidet wie beim letzten Mal. Mit einem langen Wollrock und einem verfärbten Tuch um Schultern und Kopf. Sie sah nicht sehr sauber aus und sie roch nach allem Möglichen. Vor allem nach Knoblauch.
»Dass das Böse hier ist!« Die Alte war ihr nachgekommen und beugte sich näher zu ihr. »Seit längerem schon verschwinden junge Mädchen aus der Umgebung. Manches Mal findet man sie dann mit zwei Löchern am Hals.« Sie deutete auf eine Stelle unter dem Ohr. »Ausgesaugt bis zum letzten Blutstropfen… Es gehen böse Dinge um. Sehr böse… Sie sollten sich vorsehen, mein Kind.«
»Ich glaube nicht an solche Dinge«, verwahrte sich Pat energisch, obwohl sich alle Härchen auf ihrem Körper sträubten.
»Das haben die anderen auch nicht«, sagte die Alte, nicht ein bisschen
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