Patricia - Der Kuss des Vampirs
beleidigt über Pats Ungläubigkeit, »und haben es mit ihrem Leben bezahlen müssen.« Sie kam noch ein wenig näher, Pat folgend, die Schritt für Schritt zurückwich. »Man munkelt, dass sogar einige Mädchen aus den weiter entfernten Nachbardörfern spurlos verschwunden seien. Aber nicht auf natürlichem Wege.« Sie zog zu Pats größter Überraschung eine Schnur heraus auf der Knoblauchzehen aufgereiht waren und hängte sie ihr, ohne auf ihre Abwehr zu achten, um den Hals. Dabei bemerkte Pat, wie zart und schlank ihre Hände waren, fast wie die eines jungen Mädchens, das den ganzen Tag mit zierlichen Handarbeiten verbrachte statt mit harter Arbeit, wie diese Menschen hier das tun mussten.
»Und jetzt geh mein Kind, aber sei vorsichtig, hörst du? Nimm diese Kette nicht ab und traue niemandem, der davor zurückschreckt.« Sie sah sich misstrauisch um und entfernte sich dann langsam, wobei sie leicht humpelte.
Erschöpft ging Pat weiter. Was sie heute wieder gehört hatte, war ein bisschen zuviel gewesen. Nichts als Unsinn und Aberglauben. Lächerlich! Immerhin lebten die Leute hier nicht mehr im Mittelalter, sondern Mitte des Neunzehnten Jahrhunderts, aber das hatte sich offenbar noch nicht bis zu diesen einfältigen Menschen herumgesprochen. Vampire! Churtham, der in der Nacht über die Felder flog! Das war zuviel.
Sie beschleunigte ihren Schritt, als sie bemerkte, dass in der Zwischenzeit schon die Dämmerung hereingebrochen war. Nicht, dass sie sich vor Vampiren und ähnlichem Gezücht fürchtete, aber sie hatte doch keine sonderliche Lust, im Dunkeln durch den dichten Wald zu stolpern.
Sie schritt herzhaft aus, sah jedoch bald ein, dass sie es unmöglich schaffen konnte, das Schloss noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Ein kleines Gefühl der Angst stieg ärgerlicherweise in ihr hoch. Daran hatten nur diese Leute und ihr dummes Gerede Schuld! Sie sah sich vorsichtig um, als sie sich der Geräusche um sie herum bewusster wurde als zuvor. Alles nur natürlichen Ursprungs, machte sie sich klar, aber trotzdem im Dämmerlicht unheimlich. Ein Rascheln im Gebüsch, der Schrei eines Vogels, das Heulen eines Hundes, der vermutlich an einem fernen Hof an der Kette hing, all das verdichtete sich zu einem Gefühl der Angst, wie Pat sie noch vor kurzem nicht gekannt hatte. Sie war wohl zimperlicher geworden, ein bisschen ängstlich, nicht mehr die alte Pat, die sich früher vor nichts und niemandem gefürchtet hatte. Und das seltsame Verhalten dieser Leute hier tat natürlich ein Übriges, um ihre ohnehin schon etwas angegriffenen Nerven noch weiter zu beunruhigen. Dennoch schien ihr, als hätte sich der Wald auf rätselhafte Weise verändert. Die etwas schief gewachsenen alten Eichen, die sie noch beim Hinweg so bewundert hatte, schienen jetzt lebendig zu werden und verkrüppelten Riesen gleich mit ihren Ästen nach ihr zu greifen.
Wieder ein Rascheln. Ein Knacken von Zweigen, die zertreten wurden. Pat fing an zu keuchen, als sie schneller ging und über die alte Steinbrücke lief, die hier den Fluss überquerte. Waren das nicht Schritte, ganz in ihrer Nähe? Oder war es nur der dumpfe Schlag ihres Herzens, der in ihren Ohren dröhnte? Dass ein Vampir hier sein Unwesen treiben sollte, war natürlich reinster Unsinn, aber am Ende hatten sich die Leute aus dem Dorf über sie lustig gemacht und wollten sich nun einen Spaß daraus machen, sie zu erschrecken. Wenn sie nur schon näher dem Schloss wäre, das ihr plötzlich, trotz – oder wegen - seines Herrn, als Ort der Sicherheit erschien. Wie sehr wünschte sie sich jetzt Lord Churtham an ihre Seite!
Da! Das waren Schritte! Diesmal ganz deutlich! Jemand kam ihr aus dem Dunkel entgegen. Eine schemenhafte Gestalt. Pat blieb wie angewurzelt stehen als sie bemerkte, wie schnell sich dieser unheimliche Fremde ihr näherte. Und da war er schon. Er trug einen weiten langen Mantel und einen Hut, der so tief in seine Stirn gezogen war, dass sein Gesicht völlig im Schatten lag. Ohne ein Wort zu sprechen sprang er mit einem letzten riesigen Satz auf sie zu und hatte sie auch schon gepackt.
Pat schrie entsetzt auf und versuchte sich aus den Händen des Mannes zu befreien, die, Klauen gleich, ihre Oberarme gepackt hatten. »Hilfe!! Hilfe!« Sie wusste zwar nicht, wer ihr zu Hilfe kommen sollte, aber sie hoffte, dass sie den Kerl allein schon mit ihrem Schreien vertreiben konnte. Wortlos legte er ihr eine eiskalte Hand über den Mund, während seine andere sich um
Weitere Kostenlose Bücher