Patricia - Der Kuss des Vampirs
auch wenn sein Mund den ihren nicht einmal berührte. Sie schloss ihre Lippen um seinen Finger, saugte leicht daran und ließ ihre Zungenspitze darum kreisen. Ganz langsam und bedächtig, während sie die Augen schloss und kein Gedanke daran in ihr hochstieg, dass das, was sie hier tat, wohl äußerst ungehörig war. Sie dachte überhaupt nicht in diesem Moment, fühlte nur, gab sich einem Zauber hin, der sie ganz erfüllte. Die Finger seiner anderen Hand spielten warm an ihrem Nacken, ließen kleine Flammen über ihre Haut und durch ihren Körper wandern, streichelten, liebkosten, erweckten in ihr neue und beängstigende Gefühle und Sehnsüchte. Es war, als wäre sie plötzlich von Fieber befallen, heiße und kalte Schauer rannten über ihren Leib, ließen ihre Knie zittern und ihr Herz so laut schlagen, dass sie glaubte, es müsse zerspringen.
Sie stieß ein leises Seufzen aus, als er sich von ihr zurückzog. Dieses zarte und doch intensive Spiel konnte nur wenige Minuten gedauert haben, aber Pat hatte das Gefühl, als wäre die Zeit stehen geblieben. Sie öffnete erst die Augen, als sie seinen schweren Atem hörte. Sein Gesicht war dicht vor ihrem und obwohl sie vor dem Glühen in seinen Augen hätte erschrecken müssen, hatte sie keine Angst. Auch nicht vor dem unverhohlenen Begehren, das aus seinem Blick sprach und sie bis zu Stellen erwärmte, über die eine sittsame junge Frau nicht einmal nachdachte. Sie hätte so gerne das Samtband gelöst, das sein dichtes schwarzes Haar hinten zusammenhielt, um dann mit beiden Händen hineinzugreifen und seinen Kopf zu sich herunterzuziehen. Sie blieb jedoch reglos stehen und starrte ihn nur an. Endlich wandte er sich ohne ein weiteres Wort ab und verließ den Raum.
Und ließ Pat in einem Aufruhr der Gefühle zurück, wie sie ihn bisher noch nie verspürt hatte.
Vampir e
Es war ein schöner Tag und Pat wanderte leise vor sich hinsingend und summend zum Dorf. Obwohl die Mehrzahl der Dorfbewohner ihr immer noch auswich, freute sie sich, als die ersten Häuser in ihr Blickfeld kamen. Manche der grauen Steinhäuser waren zwar sehr baufällig und armselig, andere jedoch wiederum waren gepflegt und von Blumen- und Gemüsebeeten, blühenden Sträuchern und Hecken umgeben. Die tief heruntergezogenen, dicken Reetdächer gaben ihnen ein verträumtes Aussehen, aus den stämmigen Schornsteinen stieg Rauch empor und Pat, die sich selbst in einem ungewohnt verträumten Zustand befand, schlenderte glücklich durch die Straßen, winkte einigen misstrauischen Kindern lustig zu und betrat dann schließlich den Laden.
Da seine Frau heute nicht hier war, zeigte sich der Inhaber, Mr. Beadweather, weitaus gesprächiger als das letzte Mal. Pat hielt sich endlos lange bei ihm auf, um all die hübschen Kostbarkeiten und Kleinigkeiten zu bewundern, die er feilbot. »Schön, Sie wieder zu sehen, Miss«, sagte er und betrachtete wohlwollend das kleine Hütchen, das sie zur Feier des Ausflugs aufgesetzt hatte. »Sie kommen nicht oft ins Dorf.«
»Es ist doch etwas weit zu gehen«, erwiderte Pat, während sie ihre Finger über einen Ballen seidigen Stoffes wandern ließ. Sie hatte, als sie damals so überstürzt aus Brighton abgereist war, nur das Nötigste mitgenommen und bedauerte es nun, nicht mehr und vor allem hübschere Kleider dabei zu haben. Es war doch zu ärgerlich, dass sie außer diesem dunklen Reisekleid, einem festen Rock, zwei weißen Blusen und einem grauen Wollkleid nichts anzuziehen hatte. Sie war niemals besonders eitel gewesen, aber aus einem Grund, über den sie nicht näher nachdenken wollte, störte es sie, dass Lord Churtham sie immer nur in diesen Sachen sah. Vielleicht sollte sie sich ein Kleid nähen lassen? Sie selbst war schrecklich ungeschickt mit Nadel und Faden, aber Mrs. Simmons hatte ihr von einer Frau im Dorf erzählt, die sehr hübsche Kleider machte. Natürlich konnte sie auch nach Minehead oder Dunster fahren, aber dazu hätte sie Churtham oder Simmons um die Kutsche bitten müssen und das war ihr unangenehm.
»Der Earl, Lord Churtham selbst«, fuhr Mr. Beadweather fort, »kommt ja nur selten ins Dorf. Zumindest kann ich mich nicht erinnern, ihn je hier gesehen zu haben. Und von den anderen Dorfbewohnern hat ihn ebenfalls nie jemand hier gesehen, jedenfalls nicht tagsüber.«
»Lord Churtham geht nicht viel aus«, erwiderte Pat mit höflicher Abwehr. Sie mochte nicht mit den Leuten über ihren Arbeitgeber klatschen. Und schon gar nicht über diesen .
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