Patterson James
Pocket-PC ein und klickte
auf das Symbol ihres Instant-Messengers. Oz war online.
Max schickte ihm eine Nachricht, von der sie hoffte, dass sie
nicht abgefangen oder zurückverfolgt werden konnte.
»SOS«, tippte sie ein. »Hau ab, so schnell du kannst. Hol
Icarus ab. JETZT! DRINGEND!«
»Treffen bei der Mine?«, kam Ozymandias’ Antwort sogleich
zurück.
»K«, bestätigte Max. »Wir sehen uns dort.«
Max und Matthew kehrten zum Haus zurück, um ihre Sachen
zu holen und nachzusehen, ob ihre Eltern noch lebten. Erstaunt
stellten sie fest, dass Terry und Art die ganze Zeit über tief und
fest geschlafen hatten.
Als sie fertig waren, taten sie, wovon Max immer gewusst
hatte, dass sie es eines Tages tun würden. Sie flüchteten aus
ihrem Gefängnis.
Die alten Schotterpisten, die früher zur Mine in der Nähe von
Prairie Divide geführt hatten, waren in der Zwischenzeit völlig
vom Wald überwuchert. Die Mine war heutzutage nur noch aus
der Luft zugänglich.
Ein idealer Ort.
Oz und Icarus kamen aus dem Eingang der Mine gerannt, als
Max und Matthew aus dem dunklen Nachthimmel landeten. Die
Begrüßung war freudig aufgeregt und nervös zugleich.
»Ich bin frei! Ich bin endlich frei!«, sagte Icarus wieder und
wieder. »Ein blinder Mann wird sie führen, und ich bin dieser
Blinde!«
Max fiel auf, dass Icarus seit ihrem letzten Treffen gewachsen
war. Sein weißblondes Haar war schulterlang, und er war
inzwischen fast so groß wie sie selbst. Seine blau-grauen,
blinden Augen schienen sich tatsächlich auf Matthew zu richten,
als er ihn hochhob und an sich drückte.
»Lass mich runter, Icky!«, ächzte Max’ kleiner Bruder. »Ich
bin kein verdammtes Baby mehr! Ich bin jetzt groß!«
In gehetzten Worten berichtete Max den anderen von den
Männern, die in das Haus der Marshalls eingebrochen waren
und die ausgesehen hatten, als führten sie nichts Gutes im
Schilde.
»Ich glaube, einer oder vielleicht sogar mehrere von ihnen
waren Arzte. Ich hatte so ein Gefühl«, erzählte Max.
»Es fängt also alles wieder von vorne an«, entgegnete Icarus.
»Wir sollten die Zwillinge holen. Peter und Wendy sind auch
nicht sicher. Verdammt, wir sollten sofort los, so schnell wir
können!«
»Sie machen Werbekampagnen für Cornflakes! « , sagte
Matthew. »Ich glaube nicht, dass ihnen Gefahr droht.«
»Und ob!«, widersprach Max mit erhobener Stimme.
Es gab keinen weiteren Einspruch, und so starteten sie einer
nach dem anderen, bis sie in sechzig Metern Höhe in Formation
übergingen und nach Südosten aufbrachen, in Richtung Fort
Lupton, wo Peter und Wendy mit ihren biologischen Eltern in
trügerischer Sicherheit lebten.
Der Flug war ganz anders als die nächtliche Unternehmung
zwei Tage zuvor. Alles hatte sich verändert. Max empfand kein
Vergnügen beim Anblick des Mondlichts oder dem Spiel von
Licht und Schatten auf den Wipfeln unter ihr. Sie war die
Älteste des Schwarms, wenngleich nur wenige Monate, und
daher war sie die Anführerin. Die anderen blickten zu ihr und
Oz auf und ließen sich von ihr führen. Max vermutete, dass es
möglicherweise schwierig werden könnte, die Zwillinge
mitzunehmen. Sie waren eigentlich noch Babys, schwer
einzuschätzen und kaum unter Kontrolle zu halten.
Doch es musste sein. Es gab keine Alternative. Irgendjemand
war hinter ihnen her. Irgendjemand hatte es auf sie abgesehen.
Sie passierten die kleine Gemeinde Fort Lupton und näherten
sich kurze Zeit später dem Farmhaus der Chens. Es lag auf einer
Anhöhe am Ende einer fünfhundert Meter langen unbefestigten
Auffahrt. Der nächste Nachbar der Chens war fast einen
Kilometer weit entfernt.
Ein perfekter Platz für einen Mord, dachte Max. Oder eine
Entführung. Oder was auch immer diese Typen im Schilde
führen.
Sie landeten in einem kleinen Pinienhain, von wo aus sie freie
Sicht auf das Haus hatten.
Der Rasen vor dem Haus wurde von einem gepflasterten Weg
geteilt und führte zu einer umlaufenden Veranda, die mit
Korbmöbeln voll gestellt war.
Oz deutete auf ein Garfield-Kuscheltier in einem der Fenster
im oberen Stockwerk. »Wendy ist vernarrt in diese dumme
Katze.«
»Okay«, sagte Max und nickte. »Das ist das Kinderzimmer.
Ich gehe hoch. Ich möchte nicht, dass sie erschreckt werden.«
Max flatterte auf das Dach der Veranda und landete leise.
Dann schlich sie zum Fenster der Zwillinge.
Es war unverschlossen. Hmmm. Sie schob es langsam nach
oben und kletterte in das Zimmer.
Lieber Gott, hoffentlich komm ich
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