Patterson James
FBI-Agenten.
»Könnten Sie das Gesicht etwas näher heranholen?«, fragte
ich den Techniker, der das Videogerät bediente.
»Sofort.« Ein Tastendruck, und das Gesicht vergrößerte sich.
Ich erhob mich, trat näher an den Bildschirm. Das Bild wurde
grobkörnig, schwenkte auf eine Nahaufnahme der eiskalten
Augen, als der Mörder in den Fahrstuhl trat. Sicheres, sachliches, effizientes Auftreten. Ich brannte mir das Abbild dieser
Augen in mein Gehirn. Der Techniker ließ den Film ganz
langsam vorlaufen, ein Bild nach dem anderen. Plötzlich die
Schüsse. Zwei Marshals starben.
»Schick das rüber zur Polizei und zum Krisenzentrum«, wies
Doud den Techniker an. »Ich will, dass dieses Bild zu jeder
Brücke, zu jedem Tunnel und zu jedem Polizisten auf der Straße
geschickt wird.«
»Das ist Zeitverschwendung«, sagte ich und lehnte mich gegen
den Tisch. »Jetzt sieht er schon wieder ganz anders aus.«
»Haben Sie eine bessere Idee?«, schnauzte mich Doud frustriert an.
»Könnte sein. Vergleichen Sie den Film mit Cavellos erster
Gerichtsverhandlung. Gehen Sie jeden einzelnen Tag durch,
wenn es sein muss. Retuschieren Sie den Bart und die Brille
weg. Ich wette, er war da.«
Die Sanitäter zerrten mich sprichwörtlich aus dem Raum.
Draußen wartete ein Krankenwagen. Ein letztes Mal blickte ich
hinauf zum Bildschirm. Ich wollte sicher sein, dass ich diesen
Mann erkannte, wenn ich ihn wiedersah.
Für mich bestand kein Zweifel: Dies war der Mann, der den
Bus der Geschworenen in die Luft gejagt hatte.
Als mich der Anruf erreichte, lag ich im Krankenwagen auf dem
Weg ins Bellevue Hospital.
Mein Oberkörper war nackt, eine Kanüle steckte in meinem
Arm, an meiner Brust waren EKG-Sensoren befestigt. Mit
eingeschalteter Sirene kämpften wir im Zickzackkurs gegen den
Verkehr an. Ich bat einen der Sanitäter, mir mein Handy aus der
Jackentasche zu reichen.
»Ich hab’s gerade gehört«, sagte Andie gleichzeitig ungläubig
und traurig. »O Gott, Nick, ich habe es gerade in einem Café
gesehen, es läuft schon in den Nachrichten.«
»Es tut mir leid, Andie.« Aber es tat mir mehr als leid. Wie oft
konnte ich ihr diese Worte noch sagen?
»Verdammt, Nick, die gesamte Polizei von New York war
dort.«
»Ich weiß.« Als einer der Sanitäter versuchte, mir mein Handy
wegzunehmen, schob ich ihn zur Seite. Die Wunde tat mittlerweile gar nicht mehr so weh. Aber die Wut und die
Enttäuschung wurden immer unerträglicher.
»Dieses Schwein hat meinen Sohn getötet, und jetzt ist er
frei.«
»Er ist nicht frei«, widersprach ich. »Wir kriegen ihn. Ich
weiß, wie sich das anhört, aber wir kriegen ihn.« Das Krankenhaus war nicht mehr weit entfernt. » Ich kriege ihn.«
Einen Moment lang antwortete Andie nicht. Ich wusste nicht,
ob sie mir glaubte, aber in diesem Moment war mir das egal.
Weil ich meinte, was ich gesagt hatte.
Ich kriege ihn.
Ich hatte das Gefühl, gleich in Ohnmacht zu fallen, als ich
mich von Andie mit einem undeutlichen »Tschüss« verabschiedete. Der Krankenwagen hielt an der Notaufnahme.
Ich hatte ihr nicht erzählt, dass ich angeschossen worden war.
Richard Nordeschenko lenkte den silberfarbenen Voyager in
eine der Spuren, die über die George-Washington-Brücke
führten. Der Verkehr staute sich, was Nordeschenko nicht
überraschte. Er hatte die Nachrichten im Radio gehört – auf
jedem Sender wurde über ihre Geschichte berichtet.
Überall blitzten die Blaulichter der Polizei, jedes Fahrzeug
wurde überprüft, jeder Kofferraum geöffnet. Last- und Lieferwagen wurden auf die Seite gewunken, ihre Fracht durchsucht.
Nordeschenko blickte zum Himmel hinauf. Über ihm schlugen
die Rotorblätter eines Polizeihubschraubers. Das war nicht gut.
Sie hatten die Fahrzeuge schon zweimal gewechselt. Er hatte
sich den Bart und die Brille abgenommen, die er im Gericht
getragen hatte. Es gab also nichts, worüber er sich Sorgen
machen musste, oder? Also immer mit der Ruhe. Cavello war
sicher im Hohlraum unter dem Rücksitz versteckt. Selbst wenn
man den Bronco bereits gefunden hatte, was zählte das schon?
Alles lief nach Plan. Niemand konnte ihn mit dem Fahrzeug in
Verbindung bringen, das er gerade fuhr. Solange niemand
Cavello entdeckte.
Die hohen Stahltürme der Brücke waren schon aus ein paar
hundert Metern Entfernung sichtbar. Polizisten kamen zu Fuß in
die Richtung ihres Wagens. Es war ein typischer Einsatz unter
Alarmstufe rot. Sondereinsatzkommandos und Sprengstoffhunde.
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