Patterson, James - Alex Cross 02 - Denn Zum Küssen Sind Sie Da
über diesen anonymen Tipgeber gesagt? Gott im Himmel, Kyle. Zum Teufel damit! Ein anonymer Tip. Gott verflucht noch mal!«
Wick Sachs wurde in seinem schönen Haus als Geisel festgehalten. Die Polizei von Durham wollte offenbar, daß dieser historische Augenblick vom regionalen und bundesweiten Fernsehen aufgezeichnet wurde. Das war ihr großer Moment. Die Polizei von North Carolina ging ins Buch der Geschichte ein. Sie hatten den falschen Mann und wollten ihn der ganzen Welt vorführen.
100. Kapitel
Ich erkannte den Polizeichef von Durham sofort. Er war Anfang Vierzig und sah wie ein ehemaliger ProfiQuarterback aus. Chief Robby Hatfield war etwa eins neunzig, hatte ein kantiges Kinn und war kräftig gebaut. Mir kam der paranoide Gedanke, vielleicht sei er Casanova. Er sah jedenfalls so aus. Er entsprach sogar Casanovas Psychogramm.
Die Detectives Sikes und Ruskin flankierten den Festgenommenen Dr. Wick Sachs. Ich erkannte zwei weitere Detectives aus Durham. Sie wirkten alle höllisch nervös, aber triumphierend und vor allem erleichtert. Sachs sah aus, als hätte er in den Kleidern geduscht. Er sah schuldig aus.
Bist du Casanova? Bist du doch die Bestie? Falls ja, was zum Teufel treibst du jetzt für ein Spiel? Ich wollte Sachs hundert Fragen stellen, aber das ging nicht.
Nick Ruskin und Davey Sikes witzelten mit ihren Kollegen in der überfüllten Diele herum. Die beiden Detectives erinnerten mich an ein paar professionelle Diskjockeys, die ich in D. C. kennengelernt hatte. Die meisten liebten das Rampenlicht; manche lebten dafür. Die meisten Polizisten von Durham schienen auch so zu ticken.
Ruskins Haar glänzte und war zurückgestrichen, klebte am Schädel. Ich merkte, daß er bereit für das Rampenlicht war. Davey Sikes sah auch so aus. Ihr Plattköpfe solltet an eurer Liste verdächtiger Ärzte arbeiten, hätte ich am liebsten zu ihnen gesagt. Es ist noch nicht vorbei! Es fängt erst an. Der wahre Casanova jubelt euch jetzt zu. Vielleicht beobachtet er euch von der Menge aus. Ich ging näher an Wick Sachs heran. Ich mußte alles sehen, ganz genau. Es spüren. Beobachten und zuhören. Es irgendwie verstehen.
Sachs’ Frau und die beiden schönen Kinder wurden im Eßzimmer neben der Diele festgehalten. Sie sahen verletzt, sehr traurig und verwirrt aus. Sie wußten auch, daß hier etwas nicht stimmte. Sachs’ Familie sah nicht schuldig aus.
Chief Robby Hatfield und Davey Sikes sahen mich schließlich. Sikes benahm sich wie der Lieblingsjagdhund des Polizeichefs. Es war, als wollte er mich apportieren.
»Dr. Cross, vielen Dank für Ihre Hilfe in dieser Sache.«
Chief Hatfield war im Augenblick seines Triumphes großmütig. Ich hatte vergessen, daß ich derjenige war, der Sachs’ Foto aus der Wohnung des Gentleman in Los Angeles mitgebracht hatte. Großartige Detektivarbeit… eine Spur, die gottverdammt gelegen gekommen war.
Es war alles falsch. Es fühlte sich falsch an, es roch falsch. Sachs war ein Sündenbock erster Klasse, und es funktionierte bestens.
Casanova würde entkommen; vielleicht war er jetzt schon auf der Flucht. Er würde nie gefaßt werden.
Schließlich streckte der Polizeichef von Durham die Hand aus. Ich ergriff sie und drückte sie, hielt sie fest.
Ich glaube, er befürchtete, ich wolle mit ihm in das Scheinwerferlicht hinausgehen. Robby Hatfield hatte bis jetzt eher wie ein passiver Verwaltungschef gewirkt. Er und seine Starkriminalpolizisten wollten Wick Sachs jetzt draußen vorführen. Es würde ein großer, blendender Augenblick im Licht des Vollmonds und der grellen Scheinwerfer werden. Fehlten nur noch die bellenden Bluthunde.
»Ich weiß, daß ich dazu beigetragen habe, ihn zu finden, aber Wick Sachs war es nicht«, sagte ich Hatfield direkt ins Gesicht. »Sie nehmen den falschen Mann fest. Ich will Ihnen sagen, warum. Geben Sie mir zehn Minuten, sofort.«
Er lächelte mich an, und es sah nach einem gottverdammt herablassenden Lächeln aus. Es war fast, als wäre er einen Augenblick lang perplex. Chief Hatfield löste sich von mir und ging hinaus. Er trat in das helle Scheinwerferlicht und spielte seine Rolle wunderbar. Er war so mit sich selbst beschäftigt, daß er Sachs fast vergessen hätte.
Wer auch immer wegen der Frauenunterwäsche angerufen hat, ist Casanova, dachte ich bei mir. In Gedanken näherte ich mich dem Täter. Es war Casanova. Jedenfalls steckte Casanova dahinter. Dr. Wick Sachs kam an mir vorbei, als sie ihn hinausführten. Er trug ein weißes
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