Patterson, James - Alex Cross 02 - Denn Zum Küssen Sind Sie Da
beschäftige mich mit Erotizismus – genau wie Sie sich mit dem Kopf eines Kriminellen beschäftigen. Ich leide nicht unter der Demenz eines Libertins, Dr. Cross. Meine Erotikasammlung ist der Schlüssel zu meinem Verständnis des Phantasielebens in der westlichen Kultur, zum eskalierenden Krieg zwischen Männern und Frauen.«
Sein Stimmpegel stieg an. »Ich brauche Ihnen außerdem nichts über meine Privatangelegenheiten zu erklären. Ich habe gegen kein Gesetz verstoßen. Ich bin freiwillig hier. Dagegen sind Sie ohne Durchsuchungsbefehl in mein Haus eingebrochen.«
Ich versuchte, Sachs aus der Ruhe zu bringen, indem ich ihn nach etwas anderem fragte. »Warum haben Sie Ihrer Meinung nach soviel Erfolg bei jungen Frauen? Wir wissen schon Bescheid über Ihre sexuellen Eroberungen unter Universitätsstudentinnen. Achtzehn, neunzehn, zwanzig Jahre alt. Schöne junge Frauen; in manchen Fällen Studentinnen bei Ihnen. Darüber gibt es doch bestimmt eine Akte.«
Einen Augenblick lang kam sein Zorn an die Oberfläche. Dann faßte er sich und tat etwas Merkwürdiges, möglicherweise etwas sehr Aufschlußreiches. Sachs zeigte sein Bedürfnis, Macht und Kontrolle auszuüben, der Star der Vorstellung zu sein, sogar mir gegenüber, der ich bedeutungslos für ihn war.
»Warum ich Erfolg bei Frauen habe, Dr. Cross?« Sachs lächelte und ließ die Zunge zwischen den Zähnen spielen.
Die Botschaft war subtil, aber deutlich. Sachs teilte mir mit, er wisse, wie er sexuell Macht über die meisten Frauen bekomme. Er lächelte weiter. Ein obszönes Lächeln von einem obszönen Mann.
»Viele Frauen wollen von ihren sexuellen Hemmungen befreit werden, vor allem junge Frauen, die Frauen von heute auf dem Campus. Ich befreie sie. Ich befreie so viele Frauen, wie ich irgend kann.«
Das reichte. Ich war sekundenschnell über den Tisch hinweg. Sachs’ Stuhl kippte nach hinten um. Ich landete schwer auf Sachs. Er ächzte vor Schmerz.
Ich drückte seinen Körper heftig nach unten. Meine Arme und Beine bebten. Ich schreckte davor zurück, ihm einen Boxhieb zu versetzen. Ich begriff, daß er gegen mich völlig hilflos war. Er wußte nicht, wie er sich zur Wehr setzen sollte. Er war weder stark noch sportlich.
Nick Ruskin und Davey Sikes waren blitzschnell im Verhörzimmer, und Kyle und Sampson kamen gleich hinter ihnen. Sie füllten den Raum und versuchten, mich von Sachs wegzuzerren. Tatsächlich löste ich mich freiwillig von Wick Sachs. Ich tat ihm nicht weh, hatte nicht einmal die Absicht.
Ich flüsterte Sampson zu: »Er ist körperlich nicht stark. Casanova ist das aber. Er ist nicht das Ungeheuer. Er ist nicht Casanova.«
99. Kapitel
An jenem Abend aßen Sampson und ich in einem ziemlich guten Lokal in Durham. Ironischerweise hieß es Nana’s. Keiner von uns beiden war besonders hungrig. Die übergroßen Steaks mit Schalotten und Bergen von Kartoffelbrei mit Knoblauch wanderten größtenteils auf den Müll. Im Spiel mit Casanova blieb nicht mehr viel Zeit, und es sah danach aus, als müßten wir zurück auf Feld eins.
Wir sprachen über Kate. Vom Krankenhaus hatte ich erfahren, daß ihr Zustand immer noch schlecht war. Falls sie überlebte, glaubten die Ärzte, habe sie wenig Chancen, sich wieder ganz zu erholen, je wieder als Ärztin zu arbeiten.
»Ihr beide wart mehr als nur gute Freunde, du weißt schon?« fragte Sampson schließlich. Er stocherte sanft, wie er das kann, wenn er will.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, wir waren Freunde, John. Ich konnte mit ihr über alles sprechen, und auf eine Weise, die ich fast schon vergessen hatte. Ich habe mich mit einer Frau noch nie so schnell so wohl gefühlt, ausgenommen vielleicht Maria.«
Sampson nickte dauernd und hörte meistens nur zu, wie ich Luft abließ. Er wußte, wer ich war, in Vergangenheit und Gegenwart.
Mein Pieper ging los, während wir die großzügigen Essensportionen immer noch auf den Tellern herumschoben. Ich rief Kyle Craig von einem Telefon im Souterrain des Restaurants aus an. Ich erreichte ihn im Auto. Er war unterwegs nach Hope Valley.
»Wir wollen Wick Sachs wegen der Casanova-Morde festnehmen«, sagte er. Ich ließ fast den Hörer fallen.
»Ihr wollt was?« schrie ich ins Telefon. Ich konnte nicht glauben, was ich eben gehört hatte.
»Wann zum Teufel soll sich das abspielen?« fragte ich. »Wann ist die Entscheidung getroffen worden? Von wem?«
Kyle blieb cool wie immer. Der Eismann.
»Wir dringen gleich in das Haus ein. Dieses Mal ist das ein
Weitere Kostenlose Bücher