Patterson, James - Alex Cross 02 - Denn Zum Küssen Sind Sie Da
mit dem Sechserpack mir immer noch nachstarrte. Ich hätte Kyle Craig am liebsten selbst angerufen, damit er Hilfe schickte, aber jetzt konnte ich nicht anhalten, konnte Casanova und seinen Freund nicht verlieren.
Der dunkelblaue Lieferwagen fuhr Richtung Chapel Hill… wo Casanova versucht hatte, Kate zu töten, wo er sie entführt hatte. War das seine Basis? War er jemand von der University of North Carolina? Noch ein Arzt? Jemand, von dem wir noch nie etwas gehört hatten? Es war nicht nur möglich, es war wahrscheinlich.
In der Stadt schloß ich auf vier Autolängen zu ihnen auf. Ich konnte nicht feststellen, ob sie wußten, daß ich da war. Vermutlich wußten sie es. Chapel Hills Version des Stoßverkehrs war in vollem Gang. Die Franklin Street war ein schmaler, sich schlängelnder Verkehrsstrom, der langsam am von Bäumen gesäumten Campus vorbeirollte.
Vor mir sah ich das Varsity Theatre, in dem sich Wick Sachs mit einer Frau namens Suzanne Wellsley einen ausländischen Film angeschaut hatte. Es war Ehebruch gewesen, nicht mehr, nicht weniger. Casanova und Will Rudolph hatten die Verbrechen Dr. Wick Sachs anhängen wollen. Sachs hatte einen perfekten Verdächtigen abgegeben. Der örtliche Pornograph. Casanova hatte alles über ihn gewußt. Wie kam das?
Ich war jetzt nahe daran, sie zu fassen; ich konnte es spüren. Ich mußte so denken. Sie kamen an der Kreuzung zwischen der Franklin Street und der Columbia Street an eine rote Ampel. Studenten in vergammelten T-Shirts mit den Logos von Champion, Nike und Bass Ale schlängelten sich zwischen den haltenden Autos hindurch. Irgendein Radio spielte laut Shaquille O’Neals »I Know I Got Skillz«.
Als die Ampel mit einem lauten Klicken auf Rot umsprang, wartete ich ein paar Sekunden. Dann ging ich aufs Ganze. Bereit oder nicht, hier komme ich.
112. Kapitel
Ich schlüpfte aus dem Duster und lief gebückt über den Mittelstreifen der Franklin Street. Ich hatte die Glock gezogen, hielt sie aber flach gegen mein Bein, um weniger aufzufallen. Niemand sollte jetzt in Panik geraten und schreien. Dieses eine Mal sollte alles richtig ablaufen.
Die beiden mußten den sie verfolgenden Duster schon bemerkt haben. Das hatte ich mir auch gedacht. Sowie ich auf die Straße kam, warfen sie sich auf verschiedenen Seiten aus dem Lieferwagen.
Einer drehte sich um und gab drei schnelle Schüsse ab. Plopp. Plopp. Plopp. Nur einer von beiden hatte eine Waffe gezogen. Wieder machte etwas in meinem Kopf klick: Ich erinnerte mich an eine schnelle Szene im Wald. An einen Zusammenhang. An einen Blitz des Erkennens.
Ich duckte mich hinter einem schwarzen Nissan Z, der vor der Ampel wartete, und schrie, was meine Lungen hergaben. »Polizei! Polizei! Runter mit euch! Legt euch auf den Boden! Raus aus den Autos!«
Die meisten Fahrer und Fußgänger taten, was ihnen gesagt wurde. In dieser Hinsicht bestand ein gewaltiger Unterschied zwischen Chapel Hill und den Straßen von D. C. Ich warf einen schnellen Blick auf den Mittelstreifen zwischen den Autos. Ich sah die beiden Killer nirgends.
Ich schlich an dem schwarzen Sportwagen entlang, duckte mich noch tiefer. Studenten und Ladenbesitzer beobachteten mich mißtrauisch vom Trottoir aus.
»Polizei! Runter. Zum Teufel, schafft den kleinen Jungen hier weg!« schrie ich.
Vor meinem geistigen Auge tauchten verrückte Dinge auf. Aufblitzende Bilder. Sampson, mit einem Messer im Rücken. Kate… nachdem die beiden sie zu einer hilflosen, blutigen Masse zusammengeschlagen hatten. Die eingefallenen Augen der gefangenen Frauen im Haus.
Ich hielt mich dicht am Boden, aber eines der Ungeheuer sah mich und gab einen Kopfschuß ab. Wir schossen beide fast gleichzeitig.
Seine Kugel prallte an einem Seitenspiegel zwischen uns ab. Vermutlich war das meine Rettung. Ich sah nicht, was mein Schuß bewirkt hatte.
Ich ging wieder hinter den Autos in Deckung. Der Gestank nach Motorenöl und Benzin war fast überwältigend. Eine ferne Polizeisirene sagte mir, Hilfe sei unterwegs. Aber nicht Sampson. Nicht die Art von Hilfe, die ich brauchte.
Beweg dich einfach weiter. Behalt sie beide irgendwie im Blick es sind zwei! Zwei gegen einen. Denk lieber so: Zwei für den Preis von einem!
Ich fragte mich, wie sie das hier wegstecken wollten. Was dachten sie? Was planten sie? War Casanova jetzt der Anführer? Wer war er?
Ich schaute schnell auf und sah einen Cop. Er war mit gezogenem Revolver in der Nähe der Kreuzung. Ich hatte nicht einmal die Chance, eine
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