Patterson, James - Alex Cross 02 - Denn Zum Küssen Sind Sie Da
sich selbst schickt. Daß er Casanova und der Gentleman ist. Beide Killer könnten ein und derselbe sein, Alex. Beider Spezialität sind perfekte Verbrechen. Es gibt noch weitere Ähnlichkeiten. Vielleicht ist er eine gespaltene Persönlichkeit. FBI-West, wie du das nennst, möchte gern, daß Dr. McTiernan so schnell wie möglich nach Los Angeles fliegt. Sie würden gern mit ihr sprechen.«
Die erste Westküstentheorie gefiel mir nicht besonders, aber ich konnte sie nicht ganz verwerfen.
»Und wie lautet die zweite Theorie aus dem wilden, wilden Westen?« fragte ich Kyle.
»Nach der zweiten Theorie«, sagteer, »sind es zwei Männer. Aber sie stehen nicht nur in Kontakt, sie sind Rivalen. Es könnte ein furchterregender Wettkampf sein, Alex. Das alles könnte ein furchterregendes Spiel sein, das sie erfunden haben.«
Dritter Teil
Der Gentleman
60. Kapitel
Er war ein Gentleman aus dem Süden gewesen. Ein Gentleman-Wissenschaftler. Jetzt war er der eleganteste Gentleman in Los Angeles. Stets der Gentleman. Ein Typ, dem die Herzen zuflogen, der Blumen verschickte.
Eine orangerote Sonne hatte damit angefangen, lange, langsam auf den Pazifischen Ozean zuzurutschen. Dr. William Rudolph dachte, sie sehe umwerfend aus, während er lässig durch die Melrose Avenue in Los Angeles schlenderte.
An jenem Nachmittag ging der Gentleman »einkaufen«, nahm jeden Anblick, jedes Geräusch in sich auf, den hektischen Betrieb in seiner Umgebung.
Die Straßenszene erinnerte ihn an etwas, das ein hartgesottener Krimiautor, vielleicht Raymond Chandler, geschrieben hatte: »Kalifornien ist ein Kaufhaus.« Eine immer noch verdammt zutreffende Definition.
Die meisten attraktiven Frauen, die er beobachtete, waren Anfang und Mitte Zwanzig. Sie kamen eben aus dem stumpfsinnigen Arbeitsalltag der Werbeagenturen, Anlageberatungen und Anwaltskanzleien in das Vergnügungsviertel um den Century Boulevard herum. Etliche trugen hohe Absätze, Plateausohlen, hautenge Miniröcke und hie und da auf Figur geschnittene Kostüme.
Er lauschte dem verführerischen Rascheln zerknitterter Seide, dem martialischen Klacken von Designerschuhen, dem Schlurfen von Cowboystiefeln, die mehr kosteten, als Wyatt Earp sein Leben lang verdient hatte.
Er wurde geil und rastete ein bißchen aus. Auf angenehme Weise. In Kalifornien war das Leben gut. Es war das Kaufhaus seiner Träume.
Das war das Beste daran: das Vorspiel, ehe er die endgültige Wahl traf. Für die Polizei von Los Angeles war er immer noch ein Rätsel. Vielleicht würden sie eines Tages alles herausbekommen, aber vermutlich nicht. Er war einfach zu gut. Er war Jekyll und Hyde seiner Epoche. Als er zwischen La Brea und Fairfax herumschlenderte, atmete er den Duft nach Moschus und schweren, blumigen Parfüms ein, nach Haarspülungen mit Kamille und Zitrone. Auch die Handtaschen und Röcke aus Leder hatten einen deutlichen Eigengeruch.
Es war alles nur eine Schau zum Aufgeilen, aber er genoß es. Was für eine Ironie, daß diese bezaubernden scharfen Bräute in Kalifornien ausgerechnet ihn aufgeilten und provozierten. Er war der reizende kleine Junge mit dem flaumigen Haarschopf, der sich allein im Süßwarenladen herumtrieb, nicht wahr? Was für verbotene Süßigkeiten sollte er heute nachmittag auswählen? Die Kleine in den roten Pumps ohne Strümpfe? Diese Juliette Binoche für den kleine Mann? Die Provokateurin im cremefarbenen und schwarzen Harlekinskostüm?
Mehrere Frauen bedachten Dr. Will Rudolph mit anerkennenden Blicken, während sie in ihren Lieblingsläden ein und aus gingen. Exil I, Leathers and Treasures, La Luz de Jesus. Er sah umwerfend gut aus, sogar nach den strengen Maßstäben Hollywoods. Er ähnelte dem Sänger Bono von der irischen Rockgruppe U2. Er sah so aus, wie Bono ausgesehen hätte, wenn er sich dafür entschieden hätte, in Dublin, Cork oder hier in Los Angeles ein erfolgreicher Arzt zu werden.
Und das war eines der größten Geheimnisse des Gentleman: Fast immer wählten die Frauen ihn aus.
Will Rudolph schlenderte ins Nativity, im Augenblick einer der Topläden an der Melrose Avenue. Nativity war genau der richtige Laden, wenn man ein Designer-Bustier, eine nerzgefütterte Lederjacke, eine »antike« HamiltonArmbanduhr kaufen wollte. Während er die geschmeidigen jungen Körper in dem geschäftigen Laden beobachtete, dachte er an Hollywoods Toppartys, seine Toprestaurants, seine Topläden. Die Stadt wurde völlig von ihrer Hackordnung regiert.
Er verstand etwas
Weitere Kostenlose Bücher