Patterson, James - Alex Cross 02 - Denn Zum Küssen Sind Sie Da
Butt-Head und Beavis fassen. Damit das unheimliche Gefühl aufhört.«
Kate und ich warteten am Krankenhaus, bis Rudolph schließlich wieder auftauchte. Es war fast zwei Uhr nachmittags. Rudolph fuhr zu seiner Praxis in der North Bedford Street, westlich vom Rodeo Drive. Dort empfing er Patienten. Vor allem weibliche Patienten. Dr. Rudolph war plastischer Chirurg. Als solcher konnte er erschaffen und formen. Die Frauen hingen von ihm ab. Und… seine Patientinnen suchten ihn sich selbst aus. Wir folgten Rudolph gegen sieben nach Hause. Fünf- bis sechshunderttausend im Jahr, dachte ich. Das war mehr, als ich in einem Jahrzehnt verdienen konnte. Brauchte er das Geld, damit er der Gentleman sein konnte? War Casanova auch so wohlhabend? War er auch Arzt? Begingen sie so ihre perfekten Verbrechen? Die Fragen drehten sich mir im Kopf.
Ich befingerte eine Karteikarte in meiner Hosentasche. Ich hatte damit angefangen, eine Liste über Casanova und den Gentleman zu fuhren. Ich fügte hinzu oder strich, was meiner Meinung nach wichtige Elemente ihres Psychogramms waren. Ich trug die Karte immer mit mir herum.
CASANOVA
• Sammler
• Harem
• Künstler, gut organisiert
• Verschiedene Masken… für Stimmungen oder Rollen?
• Arzt?
• Behauptet, seine Opfer zu »lieben«
• Gewinnt Geschmack an Gewalt Weiß von mir
• Wetteifert mit Gary Soneji? Wetteifert mit dem Gentleman in L. A.?
GENTLEMAN
• Verschenkt Blumen – sexuell?
• Äußerst gewalttätig und gefährlich
• Liest schöne junge Frauen jeden Typs auf
• Bestens organisiert, nichts Künstlerisches in den Mordmethoden
Arzt
• Kalter, unpersönlicher Killer… ein Schlächter
• Süchtig nach Anerkennung und Ruhm…
• möglicherweise wohlhabend…
• Penthauswohnung, Abschluß 1986 an der med. Fakultät von Duke, aufgewachsen in North Carolina
Ich dachte wieder über die Verbindung zwischen Rudolph und Casanova nach, während Kate und ich vor der Wohnung Däumchen drehten. Mir war ein wichtiges psychologisches Phänomen durch den Kopf gegangen. Es wurde Zwillingsbildung genannt und konnte ein Schlüssel sein. Vielleicht war Zwillingsbildung die Erklärung für die bizarre Beziehung zwischen den Ungeheuern. Die Ursache für Zwillingsbildung war ein starkes Bindungsbedürfnis, meistens zwischen zwei einsamen Menschen. Als »Zwillinge« werden sie ein »Ganzes«; sie werden voneinander abhängig, häufig auf zwanghafte Weise. Manchmal entwickelt sich zwischen den »Zwillingen« eine starke Rivalität. Zwillingsbildung war wie eine Sucht, ein Paar zu werden. Zu einem Geheimklub zu gehören. Nur zwei Menschen, kein Kennwort. In der negativen Form war es die Verschmelzung zweier Menschen aus ihren individuellen, ungesunden Bedürfnissen heraus.
Ich trug es Kate vor. Sie war auch ein Zwilling. »In einer Zwillingsbeziehung gibt es oft eine dominierende Figur«, sagte ich. »War das bei dir und deiner Schwester auch so?«
»Ich war vermutlich Kristin gegenüber die Dominierende«, sagte Kate. »Ich bekam die besseren Noten. Manchmal war ich ein bißchen streberisch. Sie hat mich in der High-School sogar Streber genannt. Es waren auch schlimmere Spitznamen dabei.«
»Der dominierende Zwilling kann in der Verhaltensstruktur des männlichen Rollenmodells agieren«, sagte ich zu Kate. Wir sprachen von Arzt zu Arzt. »Die dominierende Figur muß jedoch nicht unbedingt geschickter im Manipulieren sein.«
»Wie du dir denken kannst, habe ich etliches über das Phänomen gelesen«, sagte Kate und lächelte. »Zwillingsbildung schafft eine unvergleichlich starke Struktur, innerhalb derer das aneinander gebundene Paar auf vielschichtige Weise operieren kann. Etwas in der Richtung?«
»Korrekt, Dr. McTiernan. Im Fall von Casanova und dem Gentleman könnte jeder im anderen seinen Leibwächter und Helfer sehen. Vielleicht sind sie deshalb so erfolgreich. Perfekte Verbrechen. Sie haben ein eingebautes, sehr effektives emotionales Unterstützungssystem.«
Die Frage, die mir laut durch den Kopf ging, war die folgende: Wie hatten sie sich kennengelernt? An der Duke University? Hatte Casanova dort auch studiert? Das ergab einen gewissen Sinn. Es erinnerte mich außerdem an den Fall Leopold und Loeb in Chicago. Zwei hochintelligente Jungen, außergewöhnliche Jungen begehen gemeinsam verbotene Taten. Teilen böse Gedanken und schmutzige Geheimnisse, weil sie einsam sind und niemand sonst zum Reden haben… Zwillingsbildung in ihrer destruktivsten
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