Patterson, James - Alex Cross 02 - Denn Zum Küssen Sind Sie Da
Form.
Wo lag der Anfang zur Lösung dieses Rätsels? fragte ich mich. Bildeten der Gentleman und Casanova ein Zwillingspaar? Arbeiteten sie tatsächlich zusammen? Worum ging es bei ihrem bösen Spiel? Was für ein Spiel trieben sie?
»Schmeißen wir ihm doch mit dem Wagenheber die Scheiben ein«, sagte Kate. Sie stand auch unter Druck. Wir hätten beide gern zugeschlagen.
Wir wollten das erwachsene Duo Leopold und Loeb zur Strecke bringen.
65. Kapitel
Es wurde acht Uhr abends und später über der Überwachung. Vielleicht war Dr. Will Rudolph nicht der Gentleman. Möglicherweise hatte sich Beth Lieberman, die Reporterin der Los Angeles Times, geirrt. Jetzt konnten wir sie nicht mehr danach fragen. Kate und ich hatten über die Lakers ohne Magic Johnson und Kareem geplaudert, über Aaron Nevilles neuestes Album, das Zusammenleben von Hillary und Bill Clinton, die Vorzüge der Johns-Hopkins-Universität gegenüber der medizinischen Fakultät der University of North Carolina.
Immer noch flogen seltsame Funken zwischen uns. Ich hatte ein paar inoffizielle Therapiesitzungen mit Kate McTiernan hinter mir und hatte sie einmal hypnotisiert. Ich begriff außerdem, daß ich Angst davor hatte, die Funken könnten zünden. Was war mit mir los? Es war Zeit, daß ich wieder zu leben anfing, über Marias Verlust hinwegkam. Ich hatte geglaubt, zwischen mir und einer Frau namens Jezzie Flanagan entstehe etwas Gutes, aber sie hatte eine Leere in mir hinterlassen, die ich kaum verkraften konnte.
Kate und ich sprachen schließlich über Themen, die uns mehr am Herzen lagen. Sie fragte, warum ich vor Beziehungen zurückschreckte (weil meine Frau gestorben war, weil meine letzte Beziehung implodiert war, wegen meiner Kinder). Ich fragte, warum sie auf der Hut vor sinnvollen Beziehungen sei (sie hatte Angst, wie ihre Schwestern an Eierstock- oder Brustkrebs zu sterben; sie hatte Angst, ihr Liebhaber könne sterben oder sie verlassen – davor, auch weiterhin Menschen zu verlieren). »Wir sind ja ein schönes Paar«, sagte ich schließlich kopfschüttelnd und lächelte.
»Vielleicht haben wir beide entsetzliche Angst davor, wieder jemanden zu verlieren«, sagte Kate. »Vielleicht ist lieben und verlieren besser, als Angst zu haben.«
Ehe wir uns richtig mit diesem dornigen Thema befassen konnten, tauchte Dr. Will Rudolph endlich wieder auf. Ich sah auf die Uhr am Armaturenbrett. Es war zwanzig nach zehn. Rudolph steckte in schwarzen Partyklamotten. Figurbetonter Blazer, Rollkragenpullover, hautenge Hosen, flotte Cowboystiefel. Diesmal stieg er nicht in den BMW, sondern in einen weißen Range Rover. Er sah frisch geduscht aus. Hatte vermutlich ein Nickerchen gemacht. Darum beneidete ich ihn.
»Der Onkel Doktor, ganz in Schwarz«, sagte Kate mit einem verkrampften Lächeln. »Totschlagklamotten?«
»Vielleicht hat er eine Verabredung zum Abendessen«, sagte ich. »Was für eine grausige Idee. Er diniert mit den Frauen, dann bringt er sie um.«
»Vielleicht kommt er so in ihre Wohnungen. Was für ein widerlicher Kotzbrocken. Zwei unglaubliche Widerlinge auf freiem Fuß.« Ich ließ unser Auto an, und wir folgten Rudolph. Ich konnte keine Verstärkung vom FBI sehen, war mir aber sicher, daß sie da waren.
Das FBI hatte die Polizei von Los Angeles noch immer nicht eingeweiht. Es war ein gefährliches Spiel, aber beim FBI nicht ungewöhnlich. Sie hielten sich bei jeder Aufgabe für die besten Polizisten und für die übergeordnete Autorität. Sie waren der Meinung, das sei eine Verbrechensserie auf Bundesebene; deshalb sei die Aufklärung ihre Sache. Jemand beim FBI hatte einen Dauerständer, was diesen Fall anlangte.
»Vampire jagen immer bei Nacht, huhu«, sagte Kate, als wir Richtung Süden durch L. A. fuhren. »So ein Gefühl habe ich dabei, Alex. Der Gentleman von Bram Stoker. Eine Horrorgeschichte aus dem wahren Leben.«
Ich wußte, was Kate empfand. Ich empfand es auch. »Er ist ein Ungeheuer. Aber er hat sich selbst erschaffen. Genau wie Casanova. Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden. Bram Stoker und Mary Shelley haben über Ungeheuer in Menschengestalt, die sich auf der Erde herumtreiben, nur geschrieben. Jetzt haben wir Irre, die ihre wildesten Phantasien ausleben. Was für ein Land.«
»Genieß es oder laß es bleiben, Kleiner«, sagte Kate mit schleppender Stimme und einem Zwinkern.
Zu Anfang meiner Laufbahn hatte ich so viele Überwachungen gemacht, daß ich es recht gut konnte. Meiner Meinung nach hatte ich mir
Weitere Kostenlose Bücher