Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne
High hieß. Er trauerte dem alten New York und dem Amerika nach, wie es einst gewesen war, als es noch echte Cowboys und echte Männer gegeben hatte.
Er hatte in New York wichtige Arbeit zu erledigen. Eine Arbeit, die getan werden musste . Das Spiel mit Namen Jack und Jill bewegte sich auf seinen Höhepunkt zu. Sam Harrison war sicher, dass die Wahrheit mit ihm ins Grab verschwinden würde. Es musste so sein.
Es war für die Öffentlichkeit immer schon zu gefährlich gewesen, die Wahrheit zu wissen. Die Wahrheit brachte den Menschen für gewöhnlich nicht die Freiheit, sie machte sie nur verrückter. Die meisten Menschen konnten mit der Wahrheit nicht umgehen.
Endlich erreichte er die Nummer in Maryland. Zwar ging er mit diesem Anruf ein gewisses Risiko ein, aber das war nicht zu vermeiden. Er musste es tun, um seinen gesunden Menschenverstand zu behalten.
Die Stimme eines kleinen Mädchens meldete sich. Sofort spürte er eine ungeheure Erleichterung und eine Freude wie seit Tagen nicht mehr. Die Stimme der Kleinen hörte sich an, als wäre sie hier in New York.
»Hier ist Karon. Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie. Er hatte ihr beigebracht, sich so am Telefon zu melden. Sam Harrison schloss fest die Augen. Die gesamte deprimierende Glitzerwelt New Yorks und alles, was er tun würde, waren völlig ausgeschaltet. Verschwunden. Selbst Jack und Jill waren für Sekundenbruchteile aus seinen Gedanken verdrängt. Er befand sich auf sicherem Boden. Er war zu Hause.
Nur seine kleine Tochter zählte jetzt für ihn. Nur sie war wirklich wichtig. Sie hatte für seinen späten Anruf aufbleiben dürfen.
Als er den Telefonhörer gegen das Kinn presste, war er nicht Jack .
Er war nicht Sam Harrison.
»Hier ist Daddy«, sagte er zu seinem jüngsten Kind. »Hallo, Häschen. Du fehlst mir schrecklich. Wie geht’s dir? Wo ist Mom?«, fragte er. »Passt ihr auch alle gut auf euch auf? Ich komme ganz bald nach Hause. Vermisst du mich? Ich vermisse dich ganz doll.«
Du musst ungeschoren aus der Sache rauskommen, sagte er sich, als er mit seiner Tochter und dann mit seiner Frau sprach. Jack und Jill mussten siegen. Er musste den Lauf der Geschichte verändern. Er konnte nicht, durfte nicht im Leichensack nach Hause zurückkehren. In Schande. Wie der schlimmste amerikanische Hochverräter seit Benedict Arnold.
Nein, der Leichensack war für Präsident Thomas Byrnes. Der Mann hatte den Tod verdient. Wie alle die anderen auch. Alle waren auf ihre Art Verräter.
Jack und Jill kamen zum Capitol Hill, um zu töten, zu töten, zu töten.
Und bald – sehr bald – würde alles erledigt sein.
81.
Etwas stimmte nicht im Hotel. Wir waren erst ein paar Minuten im Waldorf, als mir klar wurde, dass es bei den Sicherheitsmaßnahmen eine Riesenpleite gegeben hatte. Ich erkannte es daran, wie die Sicherheitsleute sich um Präsident Byrnes und seine Frau drängten, als sie die glitzernde Hotelhalle betraten.
Thomas und Sally Byrnes wurden hastig zu ihrer Suite im zwanzigsten Stock gebracht. Ich kannte die Verfahrensweise wie im Schlaf. Die New Yorker Detectives hatten engstens mit dem Geheimdienst zusammengearbeitet. Sie hatten jede denkbare und undenkbare Methode der Infiltration des Waldorf überprüft, eingeschlossen die U-Bahnen, die Kanalisation und sämtliche unterirdischen Gänge. Bombenspürhunde waren unmittelbar vor unserem Eintreffen durch das Hotel im Stadtzentrum geführt worden. Man hatte die Hunde nachmittags auch zum Plaza und zum Pierre gebracht, da diese Hotels ebenfalls für den Besuch des Präsidenten in Betracht kamen.
»Alex«, hörte ich von hinten. »Alex, hier drin.« Jay Grayer winkte mir. »Wir haben jetzt schon ein kleines Problem. Ich weiß nicht, wie die zwei es geschafft haben, aber sie sind tatsächlich hier in New York. Jack und Jill sind hier.«
»Was zum Teufel spielt sich hier ab, Jay?«, fragte ich den Agenten, als wir an den Vitrinen mit Literflaschen teuren Parfüms und mit teuren Accessoires vorübergingen.
Jay Grayer führte mich zu den Direktionsbüros, die sich unmittelbar hinter der Rezeption in der Halle befanden. Der Raum war bereits voller Geheimdienstler, FBI-Agenten und New Yorker Polizeihäuptlinge. Alle schienen in Kopfhörer oder Funkgeräte zu lauschen. Alle wirkten sehr gestresst, auch das Hotelmanagement mit dem hauseigenen Sicherheitschef, das sich etwas darauf einbildete, dass seit Hoover jeder Präsident im Waldorf abgestiegen war.
Schließlich wandte Grayer sich an mich.
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