Patterson, James - Alex Cross 04 - Wenn Die Mäuse Katzen Jagen
Spielchen.
Ich stieg die knarrende Holztreppe zum Keller hinunter. Ich ließ die Lichter im Haus ausgeschaltet und benutzte nur meine Stablampe. Im Keller gab es keine Fenster. Auch er war voller Staub und Spinnweben, irgendwo tropfte laut ein Spülbecken. Mehrere wellige Fotoabzüge waren an Schnüre geklammert, die von der Decke baumelten.
Mein Herz schlug schneller, als ich die Bilder musterte. Es handelte sich durchweg um Fotos von Simon Conklin, verschiedene Bilder, auf denen er splitternackt posierte. Sie schienen hier im Haus aufgenommen worden zu sein.
Ich ließ den Kegel meiner Taschenlampe auf gut Glück durch den Keller schweifen. Der Boden war aus Lehm, und man konnte die großen Steine erkennen, auf denen das alte Haus erbaut worden war. Altmodisches medizinisches Zubehör wurde hier aufbewahrt: ein Gehstuhl, eine Bettpfanne mit Aluminiumeinfassung, ein Sauerstoffgerät mit Schläuchen und Hähnen, ein Glukosemeßgerät. Mein Blick wanderte schließlich hinüber zur anderen Seite des Kellers, zur Südwand des Hauses. Gary Sonejis Spielzeugeisenbahn!
Ich war eindeutig im Haus von Garys bestem Freund, seines einzigen Freundes auf der Welt, des Mannes, der in Washington Alex Cross und seine Familie überfallen hatte. Ich war mir dessen ganz sicher. Ich wußte, daß ich den Fall aufgeklärt hatte.
Ich war besser als Alex Cross.
So, endlich hatte ich es gesagt.
Die Wahrheit nahm ihren Lauf.
Wer ist die Katze, und wer die Maus?
FÜNFTER TEIL
KATZ UND MAUS
100.
Ein Dutzend der besten FBI-Agenten hatte sich auf dem Flugplatz in Quantico, Virginia, versammelt. Direkt hinter ihnen standen zwei schwarze Hubschrauber, zum Abheben bereit. Die Agenten wirkten sehr ernst und aufmerksam, aber zugleich auch verblüfft.
Als ich mich vor ihnen aufbaute, zitterten meine Knie. Selten war ich nervöser gewesen, meiner selbst so unsicher. Ich war außerdem noch nie so stark auf einen Mordfall fixiert gewesen.
»Für diejenigen, die mich nicht kennen«, sagte ich und machte eine Pause, nicht der Wirkung halber, sondern wegen meiner Nerven, »ich bin Alex Cross.«
Ich tat mein Bestes, ihnen zu vermitteln, daß ich körperlich in guter Verfassung war. Ich trug locker sitzende Khakihosen und ein langärmliges marineblaues Hemd aus Baumwolle und versuchte, die üblen Blutergüsse und Platzwunden möglichst zu verdecken.
Jetzt war es an der Zeit, eine Menge komplizierter Rätsel zu lösen. Rätsel über den brutalen, feigen Überfall auf meine Familie in Washington und den Täter; schwindelerregende Rätsel über den Serienmörder Mr. Smith und über den FBI-Agenten Thomas Pierce.
Ich sah ihren Gesichtern an, daß etliche Agenten immer noch verwirrt waren. Es hatte eindeutig den Anschein, als hätte mein Auftreten sie völlig durcheinandergebracht. Ich konnte es ihnen nicht verübeln, wußte aber gleichzeitig, daß unser Handeln nötig gewesen war. Es schien die einzige Möglichkeit zu sein, einen grauenhaften, diabolischen Mörder zu fassen. Das war der Plan gewesen, und dieser Plan hatte oberste Priorität.
»Wie Sie sich alle selbst überzeugen können, waren die Gerüchte über mein bevorstehendes Ableben stark übertrieben. Im Grunde geht es mir bestens«, sagte ich und ließ ein Lächeln sehen. Das schien das Eis bei den Agenten etwas zu brechen.
»›Mit seinem Überleben ist nicht zu rechnen‹, ›äußerst kritischer Zustand‹, ›der Überlebensfall wäre bei einer Verfassung wie der von Dr. Cross äußerst ungewöhnlich‹ – die offiziellen Bulletins aus dem St. Anthony’s Hospital waren Übertreibungen, manchmal direkte Lügen. Die Verlautbarungen sind allein wegen Thomas Pierce manipuliert worden, sie waren ein Trick. Wenn Sie jemandem die Schuld dafür geben wollen, dann ist es Kyle Craig«, sagte ich.
»Er hat recht«, sagte Kyle. Er stand neben mir, genau wie John Sampson und Sondra Greenberg von Interpol.
»Alex war gegen dieses Vorgehen. Genauer gesagt, er wollte überhaupt nicht in die Sache hineingezogen werden, wenn mich mein Gedächtnis nicht ganz täuscht.«
»Das stimmt, aber dann wurde ich doch hineingezogen, und jetzt stecke ich bis zum Hals in diesem Fall. Bald wird es auch Ihnen so gehen, Kyle und ich werden Ihnen alles erklären.« Ich holte tief Luft und sprach dann weiter, meine Nervosität hatte sich fast völlig gelegt.
»Vor vier Jahren fand ein Medizinstudent, der gerade seinen Abschluß in Harvard gemacht hatte, seine Freundin in ihrer gemeinsamen Wohnung in Cambridge
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