Patterson, James - Alex Cross 04 - Wenn Die Mäuse Katzen Jagen
vorbereitet auf einen brutalen, unberechenbaren Killer, der früher ein sehr guter Agent gewesen war.
Jemand hatte einen Packen Zeitungen gekauft, die sich jetzt auf dem Konferenztisch stapelten. Für die Schlagzeilenschreiber aus New York, Philadelphia und Jersey war der Fall ein gefundenes Fressen:
A USSERIRDISCHER K ILLER SUCHT J ERSEYKÜSTE HEIM FBI-A SSE IN A TLANTIC C ITY
J AGD AUF M R . S MTTH : Hunderte von FBI-Agenten an der Küste von New Jersey
M ONSTER IN N EW J ERSEY AUF FREIEM F USS !
Auch Sampson war von Washington aus an die Küste gekommen. Er war so versessen darauf, Pierce das Handwerk zu legen, wie wir alle. Kyle, er und ich arbeiteten zusammen, zerbrachen uns den Kopf darüber, was Pierce/Mr. Smith als nächstes tun würde. Auch Sondra Greenberg war wieder dabei. Sie hatte einen gewaltigen Jetlag und Ringe unter den Augen, aber sie kannte Pierce gut und hatte die meisten Mordschauplätze in Europa gesehen.
»Er hat doch nicht etwa eine gespaltene Persönlichkeit?« fragte Sampson. »Smith und Pierce?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Er scheint seine Fähigkeiten völlig unter Kontrolle zu haben. Nein, er hat ›Smith‹ zu einem anderen Zweck geschaffen.«
»Ich bin Alex’ Meinung«, bestätigte Sondra Greenberg von der anderen Seite des Tisches aus, »aber worin besteht der verdammte Zweck?«
»Worin auch immer, es hat funktioniert«, warf Kyle ein. »Er hat uns dazu gebracht, Mr. Smith um die halbe Welt zu verfolgen. Und wir verfolgen ihn immer noch. Niemand hat je das FBI so hinters Licht geführt.«
»Nicht einmal der große J. Edgar Hoover?« fragte Sondra und zwinkerte.
»Na ja«, milderte Kyle seine Aussage ab, »als reiner Psychopath war Hoover eine Klasse für sich.«
Ich war aufgestanden und lief im Raum auf und ab. Meine Seite schmerzte, aber ich wollte nicht, daß jemand das bemerkte. Sie hätten versucht, mich nach Hause zu schicken, mich gezwungen, das Spektakel zu verpassen. Ich redete einfach drauflos, manchmal kommt dabei was heraus.
»Er versucht, uns etwas zu sagen. Er kommuniziert allerdings auf seltsame Weise. Inez? Der Name erinnert an Isabella. Er ist besessen von Isabella, sie sollten mal die Wohnung in Cambridge sehen. Ist Inez ein Ersatz für Isabella? Ist Atlantic City ein Ersatz für Laguna Beach? Hat er Isabella sozusagen nach Hause gebracht? Aber warum sollte er Isabella nach Hause bringen?«
So ging es stundenlang weiter: wilde Vermutungen, freie Assoziationen, Unsicherheit, Angst, unerträgliche Frustration. Soweit ich es beurteilen konnte, wurde den ganzen Tag lang bis spät in die Nacht hinein nichts Nützliches gesagt, aber wer war schon in der Lage, das zu beurteilen.
Pierce versuchte nicht mehr, Kontakt mit uns aufzunehmen, schickte uns keine Nachrichten mehr. Das überraschte uns etwas. Kyle befürchtete, er sei weitergefahren und werde immer wieder Weiterreisen, bis er uns völlig um den Verstand gebracht hätte. Sechs von uns blieben während der Nacht bis zum frühen Morgen im Einsatzbüro. Sie schliefen in ihren Kleidern, auf Stühlen, Tischen und auf dem Boden. Ich ging im Büro auf und ab, machte gelegentlich auch ein paar Schritte draußen auf dem glitzernden, vom Nebel eingehüllten Plankenweg. Als letzte verzweifelte Aktion kaufte ich mir eine Tüte Fralinger’s Salzwassertoffee, wovon mir übel wurde.
Welchem logischen System folgten seine bizarren Handlungen? Mr. Smith war sein Geschöpf, sein Mr. Hyde. Was für eine Mission hatte Smith? Warum ist er hier? fragte ich mich. Hin und wieder sprach ich laut mit mir selbst, während ich über den fast menschenleeren Plankenweg schlenderte.
Ist Inez Isabella? So einfach konnte es nicht sein, Pierce hätte es uns nicht so einfach gemacht. Inez ist nicht Isabella, denn es gab nur eine Isabella. Weshalb also mordete Pierce immer weiter?
Ich kam zur Kreuzung zwischen Park Place und dem Boardwalk, und das brachte mich schließlich zum Lächeln. Monopoly. Eine andere Art von Spiel? War es das? Ich wanderte zurück zum FBI-Einsatzbüro und schlief ein bißchen, jedoch bei weitem nicht genug. Es waren nur einige Stunden.
Pierce war schließlich hier. Und Mr. Smith auch.
115.
Eine flache, immer noch sandige, immer noch auenhafte Region … ein grandioser Streifen Ozeanstrand, meilen- und abermeilenweit. Die strahlende Sonne, das glitzernde Wasser, die Schaumkronen der Wellen, die Aussicht, hier und dort in der Ferne ein Segel. Das hatte Walt Whitman vor hundert Jahren über Atlantic City
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